Firewatch REVIEW

Was für ein Auftakt! Firewatch ist der Debut Titel des in San Francisco ansässigen Indie-Entwicklerstudios „Campo Santo,“ welches von ehemaligen „Telltale Games“ Spieldesignern gegründet wurde. Da Firewatch den sogenannten „Exploration Games“ (auch bekannt als „Walking Simulators“) angehört, einer aktuell schwer angesagten Adventure-Abart, erlangte es schon vor dem Release eine hohe Popularität durch Fachpresse und Fans des Genres. Nach der Veröffentlichung Anfang Februar 2016 folgten auch sogleich hohe Wertungen einschlägiger Publikationen. Und auch die Spieler stimmten größtenteils in den positiven Tenor ein. Definitiv eine vorzeigbare Leistung für den Auftakt eines kleinen Indie-Entwicklerstudios! Was das Spiel aber letztendlich wirklich taugt, schauen wir uns im folgenden Review an.

 

Die Flucht in den prächtigen Busen von Mutter Natur

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Die Handlung spielt im Sommer des Jahres 1989. Wir befinden uns im Shoshone National Forest im US-Bundesstaat Wyoming. Aufgrund der hohen Brandgefahr, die hauptsächlich auf Blitzeinschläge zurückzuführen ist, werden jeden Sommer Feuerwachen eingestellt, die in sektoral platzierten Wachtürmen nach Waldbränden Ausschau halten bzw. diese nach Möglichkeit verhindern sollen. Der Spieler übernimmt die Rolle von Henry M. Henry macht gerade eine schwere Zeit durch, denn seine geliebte Ehefrau Julia ist an Alzheimer erkrankt und somit zum Pflegefall geworden. Nachdem Henry mehr oder weniger hilflos miterleben musste, wie seine Liebe und somit auch sein Leben zugrunde ging, beschloss er die Flucht nach vorne anzutreten. In einer Zeitungsannonce findet er ein Stellenangebot als Feuerwache in oben genannten Nationalforst. Henry bekommt die Stelle und findet sich recht bald im Wachtturm „Two Forks“ wieder, wo er auch prompt von seiner neuen Vorgesetzten, der etwas nassforschen aber dafür herzigen Delilah, kontaktiert und begrüßt wird. Henry’s erster Arbeitstag als Feuerwache beginnt jedoch wesentlich stressiger als erhofft, denn rücksichtslose Camper zünden Feuerwerksraketen im Wald und provozieren somit einen Waldbrand. Delilah schickt Henry raus, um den Übeltätern die Leviten zu lesen. Doch das ist nur der Anfang der Probleme: Henry muss sich nicht nur gegen rücksichtslose Camper durchsetzen, sondern wird auch noch auf einen unheimlichen Stalker aufmerksam – und was hat es eigentlich mit diesem mysteriösen umzäunten Gebiet auf sich? Glücklicherweise ist da aber noch Delilah, welche Henry stets per Walkie-Talkie zur Seite steht. Obwohl sie keine Gelegenheit haben sich persönlich zu begegnen, bauen die Beiden in den folgenden Wochen und Monaten eine enge Freundschaft auf…

Die Handlung von Firewatch gehört definitiv zu den bodenständigeren im Medium der Computer- oder Videospiele. Darüber hinaus geschieht bis zum Ende des ersten Arbeitstages, was ca. eine Ingame Stunde beansprucht, auch nichts wirklich Nennenswertes, was der Story den dringend benötigten Antrieb verleihen würde. Um die Wahrheit zu sagen, hätte mich dieser zähe Einstieg beinahe abgeschreckt. Ich blieb aber dennoch dran und durfte feststellen, dass die Handlung langsam aber sicher so einiges an Spannung aufbaute. Spätestens nach dem ersten Spieldrittel hat einem das ca. 6-stündige Abenteuer dann soweit gepackt, dass man auf jeden Fall wissen will, wie es weitergeht. Belohnt wird man mit einer Geschichte die geschickt mit den Erwartungen des Spielers spielt und es letztendlich schafft die Handlung auf überraschend bodenständige und dennoch befriedigende Weise aufzulösen. Auch das viel kritisierte Ending empfand ich persönlich als gelungenen Abschluss der Story. Vor allem eben auch deswegen, weil es die Storywriter vermieden haben ins überdrehte, unglaubwürdige oder gar übernatürliche abzudriften. Der eigentliche Kern der Handlung ist ohnehin die Chemie zwischen dem Protagonisten Henry und seiner Vorgesetzten. Besonders beeindruckt hat mich jedoch die interessante Mischung aus entspannten Wanderungen durch die Wildnis, humorvollen und emotionalen Gesprächen mit Delilah und natürlich der Spannung, die durch die unangenehmen Erlebnisse und Entdeckungen ausgelöst wird, mit denen Henry konfrontiert wird. Was genau das Spiel aus diesen Zutaten macht, müsst ihr jetzt aber schon selber herausfinden. Behaltet aber im Hinterkopf, dass der bodenständige Stil von Firewatch nicht jedermanns Geschmacksnerven treffen wird. Anders kann ich mir die starke Kritik am Ending auch nicht erklären. Wer Ufos, Werwölfe und wilde Verschwörungstheorien erwartet, wird hier jedenfalls nicht glücklich werden.

 

Über Stock und Stein

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Exploration Games sind bekannt dafür, dass sie hinsichtlich Gameplays nicht viel zu bieten haben. Und auch Firewatch bildet da keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil: Im Grunde genommen geht es oftmals lediglich darum in Egoperspektive von Punkt A nach B zu wandern. Unterwegs stößt man immer wieder mal auf interessante Dinge wie einen zerfetzten Baumstumpf oder einen schönen Panorama-Ausblick. Derlei Entdeckungen werden oftmals als Trigger für optionale Walkie-Talkie-Dialoge mit Delilah verwendet. Apropos Dialoge: In diesen bekommt man freilich Multiple-Choice-Optionen, um die Illusion von Choices & Consequences aufrecht zu erhalten. Tatsächlich wird die Handlung hiervon aber nicht beeinflusst. Lediglich einige Dialoge und kleinere Dinge wie Zeichnungen (Delilah fertigt im Verlauf der Geschichte z.B. eine Zeichnung von Henry an) sind hiervon betroffen. Wer sich mit Delilah unterhalten möchte, sollte jedoch nicht zu sehr trödeln, denn das Spiel gewährt nur ein kurzes Zeitfenster von ein paar Sekunden, um eine Antwortoption zu wählen.

Rätsel gibt es eigentlich überhaupt nicht. Hin und wieder ist ein Gegenstand einzusammeln, um neue Wege in der überraschend linearen und übersichtlichen Spielwelt zu erschließen. So benötigt man z.B. eine Axt um störendes Gestrüpp zu zerhacken oder Bäume zu fällen, um somit provisorische Brücken zu errichten. Aufgrund dessen, wird der Aspekt der Erforschung der Spielwelt leider stark minimiert, da sich diese erst nach und nach für den Spieler öffnet. Dann gibt es noch die Versorgungscontainer, die mit einem vierstelligen Codeschloss verschlossen sind und neben benötigten Gegenständen und Krimskrams auch mal Briefe enthalten. Da man den Universalcode jedoch sowieso von Delilah mitgeteilt bekommt, zählt das aber auch nicht als „Rätsel.“

Ab und zu darf man auch mal nutzlose Sachen aufsammeln und näher betrachten sowie in seltenen Fällen einsammeln, um sie seiner Krimskrams-Sammlung im Wachtturm hinzuzufügen.
Falls man sich in der eigentlich überschaubaren Spielwelt einmal verlaufen sollte, kann man per Tastendruck jederzeit Landkarte und Kompass zücken, um sich zu orientieren. Eine Rennfunktion hilft ferner dabei, längere Wegstrecken zügig zurückzulegen. Ernsthafte Gefahren, die an Game Overs gekoppelt sind, sind in Firewatch übrigens non existent. Ein tödlicher Sturz in einen Abgrund wird beispielsweise durch unsichtbare Wände verhindert. Hier geht es eher darum die Naturlandschaft zu genießen, mit Delilah zu quatschen und die Handlung mitzuverfolgen. Die Steuerung arbeitet dabei tadellos nach bewährten Steuerungsmuster von Games, die aus der Egoperspektive gespielt werden – freie Tastenkonfiguration und Controller-Support inklusive.
Das war es dann leider auch schon, was man zum Gameplay sagen könnte. Der Begriff „Walking Simulator“ passt wirklich besser zu Firewatch als die Bezeichnung „Exploration Game.“ Aber das muss jetzt auch nichts schlimmes sein.

 

Grafik, Sound und weiteres

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Interessanterweise setzt Firewatch bei der Grafik auf einen Comicstil, der einem zunächst den Eindruck vermittelt, man würde sich in einem Loony Tunes-Cartoon befinden oder so ähnlich. Ehrlich gesagt war ich anfangs nicht sonderlich beeindruckt von diesem Grafikstil weil weder Handlung noch Setting hierfür geeignet scheinen. Der Vorteil hierbei ist natürlich, dass Firewatch auch auf älteren PC’s noch gut läuft. Im Endeffekt ist es aber schlicht und einfach Geschmackssache. Nach der ersten Spielstunde hatte ich mich aber auch an den Grafikstil gewöhnt und die Landschaft wurde offensichtlich mit viel Liebe gestaltet und lädt häufig zum Screenshot-Knipsen ein. Witzigerweise erhält man im Verlauf des Spiels sogar eine Einwegkamera, mit der man einige Bilder knipsen darf, die dann nach Spielende in den Credits gezeigt werden – schöne Idee!

Zu kritisieren habe ich jedoch, dass man sich bei der Fauna in Firewatch auf die faule Haut gelegt hat. So sind zwar die Landschaften sehr schön gelungen, doch leiden diese unter akuter Tierarmut. Ganz am Anfang bekommt man einen Hirsch und ein paar Vögel zu sehen und zwischendrin findet man noch eine kleine Schildkröte, aber das war es dann auch schon. Die Abstinenz von Tieren ist schon ein großer Makel, vor allem weil man da wirklich einige spannende oder schöne Situationen hätte draus machen können. So werden im Spiel immer wieder mal Grizzlybären erwähnt und es wird sogar ein Problembär angesprochen, der Ärger macht. Warum hat mal also keine Situation mit einem aggressiven Bären eingebaut? Eine verschenkte Chance. Die Flora und der gescriptete Tag- und Nachtwechsel wurden dafür aber recht schön umgesetzt. Positiv ist weiterhin zu erwähnen, dass Henry nicht nur eine schwebende Kamera ist, sondern beim herunterschwenken auch sein Körper zu sehen ist.

Der Soundtrack in Firewatch wird nur sehr sporadisch eingesetzt und wenn er mal einspielt, handelt es sich meistens um passende Gitarrenmelodien, welche das Setting gut untermauern. Ansonsten muss man sich halt mit passenden Umgebungsgeräuschen wie Windrauschen, Gewitter usw. zufrieden geben.
Herzstück ist natürlich die englische Sprachausgabe und diese ist hervorragend gelungen. Die Sprecher von Henry und Delilah verstehen es authentische, lebendige Dialoge wiederzugeben und tragen sehr viel zum Spielerlebnis bei.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
83
83
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Nachdem mich die erste Stunde aufgrund der zunächst trägen Story und dem Cartoon-artigen Grafikstil doch eher abschreckte, wuchs mir Firewatch dann doch noch ans Herz. Ist die zähe Anfangsphase überstanden überrascht die Handlung mit einigen interessanten Entwicklungen und auch die Grafik bietet genügend Material für einige schöne Screenshots. Der positive Gesamteindruck wird jedoch durch einige ärgerliche Dinge wie die fast völlige Abstinenz der Ingame-Fauna oder einer arg linearen Spielwelt geschmälert. Beides Dinge die beim besten Willen nicht mit dem Setting eines Nationalforstes harmonieren. Dafür schaffen es die Entwickler den Spieler mit einer spannenden, bodenständigen Handlung zu fesseln, die mit zwei sehr sympathischen Hauptcharakteren aufwartet. Fans von Walking Simulators dürfen gerne zugreifen.

- Von  Volker

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Firewatch REVIEW

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