Yakuza: Kiwami REVIEW
Mit dem im Januar veröffentlichten Yakuza 0 konnte die in westlichen Gefilden lange ein Nischendasein fristende Reihe nicht nur sehr gute Verkaufszahlen einfahren, sondern sich auch ein neues Publikum erschließen. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung des fantastischen Prequels erscheint mit Yakuza: Kiwami nun das Remake des ursprünglich 2005 für die PlayStation 2 veröffentlichten Originals. Für dieses hat Entwickler Sega nicht nur die Technikschraube angezogen, sondern auch über Jahre hinweg verbesserte Mechaniken und neue Inhalte springen lassen. Klingt nach einer vorbildlichen Neuauflage, oder?
Die Nacht, die alles veränderte
Kazuma Kiryu steht kurz vor dem nächsten Schritt auf der Karriereleiter und soll in Kürze in die hohen Kreise des berüchtigten Tojo-Clans aufsteigen. Dazu soll es aber nicht kommen, denn in einer regnerischen Nacht des Jahres 1995 soll sein Schicksal einen dramatischen Verlauf nehmen. Um seinen Freund Nishikiyama zu decken, übernimmt Kazuma nämlich die Verantwortung für den Mord an seinen eigenen Boss. Dieser wurde von Nishikiyama erschossen, nachdem er versucht hat, dessen und Kazumas Jugendfreundin Yumi zu vergewaltigen.
Von seiner Familie verstoßen, landet Kazuma im Gefängnis und muss eine zehnjährige Haftstrafe absitzen. Als Kazuma nach verbüßter Strafe nach Kamurocho, dem (fiktiven, aber vom realen Kabukicho inspirierten) Rotlichtviertel Tokyos, zurückkehrt, ist nichts mehr so, wie es einst war. Der Tojo-Clan ist tief zerstritten, innere Machtkämpfe treiben immer weiter einen Keil zwischen die verschiedenen Gruppen. Nishikiyama scheint von Machthunger und seinen Hass auf Kazuma zerfressen, während Yumi seit den Ereignissen von 1995 verschwunden ist. Schließlich wird auch noch das Tojo-Oberhaupt ermordet und sämtliches Vermögen des Clans gestohlen. Alle Zeichen deuten daraufhin, dass die aktuellen Geschehnisse mit den Ereignissen von vor zehn Jahren in einem Zusammenhang stehen…
Yakuza: Kiwami erzählt 1:1 die bekannte Geschichte des Originals, die sich serientypisch um Verrat und Freundschaft dreht und mit allerhand Kitsch, Pathos, Witz und Irrsinn angereichert ist. Mir ist keine andere Videospielreihe bekannt, der es so gut gelingt eine im Kern sehr emotionale und stellenweise komplexe Handlung zu erzählen, die gleichzeitig einen eigenwilligen Humor besitzt und trotz der thematischen Schwere oftmals leichtfüßig daher kommt. Faszinierend ist die Story auch deshalb, da sie unter all dem Wahnsinn ein nach wie vor gültiger Kommentar auf die Art und Weise ist, wie die japanische Gesellschaft funktioniert und wie weit die Verstrickungen zwischen Politik, Justizbehörden und der Unterwelt reichen. Schon 2005 verstanden sich die Macher darauf die Handlung in cineastisch inszenierten Filmsequenzen zu erzählen.
Für das Remake wurden diese nicht nur Optisch aufgewertet sondern auch komplett neu vertont. Vor allem für das westliche Publikum ist dies ein Mehrwert, da Yakuza seinerzeit mit einer zwar prominent besetzten, aber sehr unpassend wirkenden, englischsprachigen Sprachausgabe versehen wurde. Darüber hinaus wurden vollkommen neue Zwischensequenzen integriert, die der Handlung mehr Tiefe geben und die Motivation diverser Charaktere, vor allem von Nishikiyama, greifbarer macht.
Neuanstrich und Altlasten
Überhaupt ist die technische Überarbeitung vorbildlich. Das (zumindest in Japan) sowohl für PlayStation 3 und PlayStation 4 veröffentlichte Yakuza: Kiwami verwendet zwar die gleiche Engine, wie auch das Prequel und ist damit nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Dennoch macht sich der grafische Sprung bemerkbar, vor allem, da sämtliche Texturen, Effekte, Assets usw. ausgetauscht wurden und dem HD-Zeitalter gerecht werden.Oben drauf kommt noch die native Auflösung von 1080p und 60 Frames. Letztere können aber nicht durchgängig gehalten werden, wobei sich die Ruckler in Grenzen halten und kaum der Rede wert sind. Eine lange überfällige Neuerung ist die Möglichkeit jederzeit im Spiel zu speichern, was nun über das Hauptmenü geschieht.
Trotz ordentlicher Generalüberholung besitzt das Spiel aber noch einige technische und mechanische Altlasten. Dazu gehören etwa die Animationen, die einfach aus dem Original übernommen wurden. Wo Yakuza 0 noch vor wenigen Monaten mit flüssigen Animationen und sehr plastisch wirkender Mimik überzeugte, da macht Kiwami diesbezüglich einen merklichen Rückschritt. Ein regelrechtes Graus ist aber die Kameraführung in engen Arealen. Vor allem die in kleinen Räumen stattfindenden Kämpfe haben regelmäßig meine Nerven strapaziert. Selbiges gilt teilweise auch für die Bosskämpfe, die selten eine besondere Taktik erfordern und häufig schlichtweg unfair gestaltet sind. Eine für viel Frust sorgende und schlichtweg dämliche Designentscheidung ist die Tatsache, dass Bosse ihre angeschlagene Energie aufladen können.
Kiryu-chaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaan!
Diese Überbleibsel von 2005 sind insofern ärgerlich, da Mechaniken an anderer Stelle mit den aktuelleren Iterationen der Reihe in Einklang gebracht wurden. Besonders deutlich zeigt sich dies am Kampfsystem. Wie auch im Prequel kann Kazuma in Kiwami während eines aktiven Kampfes zwischen vier verschiedenen Stilen wechseln. Der klassische Allrounder ist der Brawler-Stil mit gut sitzenden Schlägen, Tritten sowie einer Vielzahl an Spezial-Attacken. Im mächtigen Beast-Modus kann Kazuma spielend leicht Motorräder und andere schwere Gegenstände umher schwingen und damit auf seine Gegner einprügeln, ist dafür aber sehr langsam und lässt sich behäbig steuern. Schnelle, aber dafür wenig Schaden austeilende Attacken erlaubt der Rush-Stil. Das ultimative Kampfset ist aber Dragon, welches sich als einziges der vier Kampftechniken nicht durch gesammelte Erfahrungspunkte aufwerten lässt.
Stattdessen kommt hier das neue Majima Everywhere System zum Einsatz. In Kiwami werdet ihr nämlich von Goro Majima – einem der Fanglieblinge schlechthin – gestalkt und auf Schritt und Tritt verfolgt. An jeder Ecke kann der durchgeknallte Augenklappenträger auf euch lauern, nicht selten versteckt er sich auch mal im Gulli oder einer Mülltonne, nur um hervorzuspringen und euch in einen Kampf zu ziehen. Je öfter ihr Majima besiegt, desto stärker wird dieser – und desto mehr Fähigkeiten werden im Dragon-Skilltree freigeschaltet. So unterhaltsam die um das System gestrickte Storyline für mich als Fan von Majima auch ist – und glaubt mir, hier feuert das Spiel noch mehr Wahnsinn ab, als ich es vermutet hätte – so unpassend wirkt sie im Kontext der eigentlichen Haupthandlung. Für mich als Kenner des Originals ist es nicht weiter schlimm, auf Neuspieler könnte das dramaturgische Gefälle aber seltsam wirken, da Majima in den Storyszenen eine gänzlich andere Figur ist, als in der Nebenhandlung.
Das Herzstück der Reihe
Apropos Nebenhandlung: natürlich gibt es auch in Kiwami wieder unzählige kleine und größere Handlungsstränge, die fernab der Haupthandlung ihre eigenen Geschichten erzählen und einen schönen Querschnitt zwischen mal kurios, mal unglaublich lustig, mal herzerwärmend bilden. Viele der Nebenquests wurden aus dem Original übernommen, teilweise gibt es aber auch komplett neue Stories, die sich auf Yakuza 0 beziehen. Wer das Prequel gespielt hat, wird also auf das ein oder andere bekannte Gesicht treffen. Das hilft der sowieso schon in sich authentisch wirkenden Spielwelt zusätzlich einen lebendigen Touch zu erhalten.
Im gleichen Atemzug müssen natürlich auch die Nebenbeschäftigungen genannt werden. Eines vorweg: auch hier macht Kiwami im Vergleich zu 0 einen kleinen Rückschritt, denn viele Beschäftigungen aus dem Prequel sind nicht mehr vorhanden. Die Klassiker wie Bowling, Karaoke, Dart, Billard und Baseball sind nach wie vor da und auch das auf dem Stein-Schere-Papier Prinzip basierende Wrestling kehrt in Form des sehr bizarren Battle Bug Beauties: MesuKing zurück. Dafür vermisse ich gerade im Hinblick auf die Arcades aber so einiges. Ja, im Vergleich zum Original gibt es in der Neuauflage natürlich mehr Beschäftigungen, aber warum hat man hier Dinge gestrichen, die im zuvor veröffentlichten Prequel drin waren?