Unravel REVIEW

Der heiß erwartete Puzzleplattformer Unravel ist nach über zwei Jahren Entwicklungszeit endlich für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen und bereit, gespielt zu werden. Entwickelt wurde die neue Marke in Schweden beim unabhängigen Entwicklerstudio Coldwood Interactive, jedoch wird der Titel unter der Flagge von Electronic Arts vermarktet. Die Erwartungen liegen hoch, die Spielergemeinde ist seit der letzten E3 äußerst gespannt auf das Abenteuer rund um das kleine Männchen aus Garn. Wir haben uns Unravel für euch geschnappt und zeigen, ob der Titel hält, was er verspricht oder ob die Erwartungen doch etwas zu hoch liegen.

Yarny geht auf große Reise

Unravel Screenshot1

Unravel beginnt an einem verregneten Tag im Wohnzimmer einer alten Dame, die in ihrem Schaukelstuhl Fotos ihrer Familie betrachtet und in längst verblichenen Erinnerungen schwelgt. Sie wirkt etwas wehmütig, ja sogar etwas traurig und allein. Das soll der kleine Yarny, ein rotes Männchen komplett aus Garn, ändern und macht sich auf den Weg in die große Welt, um den Erinnerungen neue Farbe einzuhauchen. Yarny durchstreift auf seiner magischen Reise ruhige Waldstücke, gefährliche Sümpfe und eisige Winterlandschaften. Die gesamte Geschichte scheint sich um die alte Dame und deren Familie zu drehen, doch wird die Story nur sehr lose erzählt. Die eingesammelten Erinnerungen, die in Form vor einzelnen Bildern dargestellt werden, lassen jede Menge Freiraum für unterschiedlichste Interpretationen.

Der Titel verzichtet komplett auf eine Sprachausgabe oder einen Erzähler. Die teils sehr dichte Atmosphäre wird dabei lediglich durch die Gestik des kleinen Yarny und sowohl optische als auch akustische Eindrücke aus der Spielwelt gewonnen. Dabei spielt die Größe des roten Kerlchens eine zentrale Rolle und lässt so selbst banale Objekte wie Blumen oder Steine gewaltig wirken. Das Garnknäuel ist nämlich gerade einmal so groß wie ein Goldhamster. Man hat jedoch das Gefühl, die Entwickler Treffen die Größenverhältnisse nicht immer, denn einmal passt Yarny durch ein Loch von wenigen Zentimetern, in einem anderen Spielabschnitt nimmt er fast einen gesamten Eimer ein. Eines steht jedoch fest, den kleinen Yarny haben wir von der ersten Minute an in unser Herz geschlossen.

Der Puzzleplattformer regt immer wieder zum Nachdenken an, sowohl bei den kleinen Rätseln, die an jeder Ecke auf euch warten, als auch über die Probleme dieser Welt. Überall finden sich Anspielungen auf aktuelle Themen wie Umweltverschmutzung sowie eine leichte Form der Gesellschaftskritik. Wenn Yarny einsam durch eine eiskalte Schneelandschaft irrt und vor Kälte zittert, ist man als Spieler mit den Emotionen ganz bei dem roten Kerl. Es ist erstaunlich, welch starke Emotionen visuelle Eindrücke, ein von schwedischer Volksmusik angehauchter Soundtrack und ein kleines Garnknäuel erzeugen können. Da kann man wirklich nur staunen.

Der rote Faden, der sich durch die gesamte Spielwelt zieht

Unravel Screenshot3

Spielerisch darf man von Unravel gutes Mittelmaß erwarten. Der lineare 2D-Puzzleplattformer ist gewissermaßen eine Mischung aus den Rätselpassagen im Stil von Limbo und den schnellen Sprungeinlagen eines Little Big Planet. Den Entwicklern ist diese Balance gut gelungen, schnelle Abschnitte wechseln sich mit gemächlichen ab und ganz nebenbei erfordern einige Rätsel auch etwas Denkarbeit. Meist muss man jedoch einfach kleinere Objekte neben größere bewegen, um diese erklimmen zu können, denn die Level sind wie ein Hindernisparkour aufgebaut, wobei es das Ziel ist, das Ende zu erreichen.

Munter fröhlich rennt, hüpft und klettert ihr in bewährter Plattformermanier durch die insgesamt zehn Level, immer auf der Suche nach Erinnerungen und dem einen oder anderen versteckten Geheimnis. Doch diese Geheimnisse stellen sich als einfache Garnanstecker heraus, von denen es in jedem Spielabschnitt fünf Stück zu finden gibt. Leider enthalten diese Geheimnisse keine Extras, wie etwa Concept Arts oder dergleichen, sondern geben lediglich ein Achievement frei, solltet ihr alle 50 einsammeln. Außer laufen und springen, kann Yarny aber noch mehr, so dient das Garn, aus dem er besteht als zentrales Fortbewegungsmittel. Dies lässt sich als Lasso verwenden, um Objekte zu ziehen oder sogar als Seil für gefährliche Abstiege. Es dauert eine gewisse Zeit, bis man sich an die seltsame Weise der Fortbewegung gewöhnt hat, aber sobald man den Dreh einmal raus hat, macht die Reise durch die unterschiedlichsten Gebiete großen Spaß. Zudem zieht das kleine Garnmännchen bei jedem Schritt stets eine Spur aus Garn hinter sich her, die sich gewissermaßen als roter Faden durch das gesamte Level zieht.

Da sich Yarny bei jedem Schritt kontinuierlich abwickelt, neigt sich sein Garnvorrat logischerweise irgendwann dem Ende. Ist das der Fall, müsst ihr schnell eine neue Garnrolle finden, die überall in der linearen Spielwelt verteilt auf dem Boden liegen und sich daran wieder „auffüllen“. Diese Punkte dienen zugleich als Checkpoints, an den ihr startet, solltet ihr einmal in den Tod stürzen. So weit muss es jedoch nicht kommen, Yarny kann sich an dem abgespulten Garn wieder hochziehen, diese quasi als Rettungsleine nutzen. Der Tod durch einen Absturz ist sicherlich die häufigste Todesursache in Unravel, denn in der Spielwelt gibt es außer einigen Krähen und einem wütenden Murmeltier, die jedoch beide nicht allzu oft auftauchen, keine Feinde. Der größte Feind für den kleinen Mann aus Garn ist die Spielwelt selbst.

In Sachen Steuerung verfolgt Unravel das einfache Prinzip, leicht zu erlernen und schwer zu meistern. Die Navigation durch die Spielwelt fällt grundsätzlich sehr leicht aus und alle Mechaniken sind kinderleicht zu erlernen, jedoch wird bei der Lösung der Physikrätsel neben den grauen Zellen auch die Feinmotorik beansprucht. Und wären manche Manöver nicht schon schwierig genug auszuführen, steuert sich der kleine Yarny zudem an einigen Stellen sehr schwammig. Hier bleibt nur zu hoffen, dass der Entwickler Coldwood Interactive in absehbarer Zeit Besserung liefert.

Technik

Unravel Screenshot5

Nicht nur an der Atmosphäre, sondern auch an den grafischen Details merkt man, dass die Entwickler viel Liebe in ihr neuestes Projekt gesteckt haben. Die Spielwelt ist sehr abwechslungsreich und anschaulich gestaltet. Vom einfachen Wohnraum, bis zum strahlenden Strand erwarten euch zahlreiche wunderschöne Kulissen, die immer wieder schön anzusehen sind. Im Hintergrund der Schauplätze laufen beispielsweise wilde Tiere aufgeregt umher.

Als Grafik-Engine dient die eher unbekannte PhyreEngine, entwickelt von Sony Computer Entertainment und zur freien Benutzung freigegeben. Mit dieser Engine wurden bereits Indie-Hits wie Flower oder Journey entwickelt. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Coldwood Interactive noch aus der Engine herausholt. Texturen, Wasserbewegungen, Licht- und Schatteneffekte werden wirklich überzeugend dargestellt. Mit großen Triple-A Titeln, an denen Hunderte Menschen arbeiten, ist Unravel natürlich nicht zu vergleichen, denn obwohl Electronic Arts den Titel vermarktet, arbeitete ein relativ kleines unabhängiges Team an der neuen Marke.

Was die Entwickler an den Grafikkulissen schon gut gemacht haben, versuchen sie bei der Soundkulisse noch zu toppen. Hier erwartet euch ganz großes Kino. Obwohl der Titel ganz ohne Sprachausgabe auskommt, ist es den Entwicklern gelungen, mit Elementen wie Körpersprache, Licht und Schatten, kombiniert mit der richtigen Geräuschkulisse und dem passenden Soundtrack eine überaus dichte Atmosphäre zu erzeugen. Man wird richtig hineingezogen in das Abenteuer und möchte das kleine Garnmännchen liebend gerne auf seiner steinigen Reise begleiten. Weiters ließen die Entwickler Teile der schwedischen Kultur in das Projekt mit einfließen und verwenden beim Soundtrack überwiegend Elemente der schwedischen Volksmusik.

Performance und Multiplayer

Unravel läuft überaus weich über den Bildschirm, selbst auf Xbox One, die technisch etwas schwächer bestückt ist als das Modell aus dem Hause Sony. Während unseres Tests konnten wir keine großen Framerate-Einbrüche, Ruckler oder Abstürze feststellen. Lediglich die Steuerung ist wie bereits erwähnt etwas schwammig gehalten. Über einen Multiplayer-Modus verfügt Unravel nicht, der Plattformer ist ein reines Soloabenteuer und das ist auch gut so. Ein Mehrspielerpart würde wohl einen großen Teil der Spannung zerstören und zu einem gänzlich anderen Spielerlebnis führen.

Kaum hat das kurzweilige Abenteuer begonnen, ist es auch schon wieder vorbei. Unravel ist zweifellos ein Erlebnis für ein Wochende, denn mit knapp fünf bis sieben Stunden fällt die Spielzeit recht kurz aus. Zudem verzichten die Entwickler auf weitere Extras wie einen wählbaren Schwierigkeitsgrad oder einem Speedrun/Herausforderungs-Modus. Sind nun alle zehn Kapitel beendet und die versteckten Geheimnisse gefunden, gibt es kaum noch einen Grund, die Spielwelt weiter zu durchstreifen. Einzig um alle Achievements (insgesamt 1000 Gamerscore bzw. 26 Erfolge) zu sammeln, ist es notwendig, alle Szenarien mehrmals zu durchlaufen. Wer daran nur wenig Interesse hat, für den bietet Unravel also nahezu keinen Wiederspielwert.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
81
81
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Unravel ist ein, mit viel Liebe entwickeltes Spiel, das sieht man dem Puzzleplattformer definitiv an. Wer sich auf das eigenwillige Indie-Abenteuer einlässt, wird durchaus mit einer Reise voller Liebe, Einsamkeit, tiefgründiger Botschaften und kreativen Gameplay-Elementen belohnt. Die knapp sechs Stunden Spielzeit vergehen wie im Flug und am Ende bleibt lediglich das Verlangen nach „mehr“. Man möchte einfach durch weitere wunderschön gestaltete Level streifen, dem kleinen Yarny weiter über die Schulter schauen. Freunde klassischer 2D-Plattformer werden mit Unravel eine Menge Spaß haben. Selbst wenn Electronic Arts neue Marke die Erwartungen nicht ganz erfüllen kann, steckt doch derselbe Indie-Charme darin, wie schon Jahre zuvor in Limbo. Wir freuen uns schon jetzt auf eine mögliche Fortsetzung, den das Ende ist nicht das Ende, das ist es nie.

- Von  Fabian

Playstation 4
Xbox One
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USK 6 PEGI 7

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