Neuro Hunter REVIEW

Wenn Arx Fatalis und Deus Ex ein Kind zeugen … Dann könnte sowas wie Neuro Hunter dabei herauskommen. Das durch Zusammenarbeit zwischen „Koch Media“ und dem russisch-ukrainischen Unternehmen „Media Art“ entstandene Spiel weist jedenfalls deutliche Inspirationseinflüsse aus oben genannten Gameklassikern auf. Dies ist nun alles andere als schlecht, denn Arx Fatalis und Deus Ex gehören definitiv zur Spitzenklasse der Action-RPG’s die aus der Ego-Perspektive gespielt werden! Ob Neuro Hunter ebenfalls das Zeug zum Klassiker aufweist, muss jedoch bezweifelt werden. Letztendlich handelt es sich hierbei nämlich um ein sogenanntes Low Budget-Game – ein Spiel, welches direkt beim Release zum Sparpreis verkauft wird. Ein Konzept, welches bevorzugt bei Titeln angewandt wird, die ohne astronomische Entwicklungskosten programmiert wurden und entsprechende Opulenz vermissen lassen. Ein Umstand der natürlich nur halb so schlimm ist, solange das Gameplay stimmt. Und da Neuro Hunter ein Vertreter einer relativ seltenen Nischengattung des RPG-Genres ist, hat es definitiv seine Existenzberechtigung! Schauen wir uns mal an, was die Grabbelkiste dieses Mal ausgespuckt hat.

„Ich will hier raus!“

Diese Aussage werdet ihr von Hunter, dem Protagonisten dieses Spiels, immer wieder zu hören bekommen. Da er seinen letzten Programmier-Auftrag für die zwielichtige Johnston Biotech Corporation nicht umsetzen konnte, zündeten die Dreckskerle eine Bombe, die Hunter zur Flucht in die Firmeneigene Mine zwang. Eigentlich gelten die „Neuro Hunter“ als Spezialisten für alles was mit Computern, Cyberspace und Hacken zu tun hat, doch aus irgend einem Grund gelang es Hunter nicht diesen simplen Auftrag zu bewältigen. Es galt lediglich den Aufzug zur Mine zu versiegeln und nun ist er selbst im Stollen gefangen!
Es dauert nicht lange, bis sich herausstellt, dass Hunter in einen gewaltigen Vertuschungsskandal hineingerutscht ist. Die Corporation unterhält nämlich keine einfache Mine, sondern eine geheime Forschungskolonie in derer skrupellose Biologen genetische Experimente an Tieren und Menschen durchführen. Die Corporation ging sogar so weit ein Gefängnis in die Mine zu bauen, wo jeder Feind von Johnston Biotech auf ewig verschwindet – irgendwoher benötigen die Biologen schließlich ihre menschlichen Versuchsobjekte. Doch mit diesem perfiden System schaufelten sich die Verantwortlichen ihr eigenes Grab, denn eines der Versuchskaninchen riss die Macht an sich und schwang sich zum Diktator über die gesamte Kolonie auf. Und dann sind da ja noch die, sagen wir mal, etwas „blutrünstigeren“ Versuchsobjekte, welche die Minenstollen unsicher machen … Kein Wunder, dass Hunter so schnell wie möglich zurück an die Erdoberfläche gelangen will!

Die Handlung von Neuro Hunter ist so simpel wie spannend und bietet sogar einige nette Wendungen. Die Charaktere sind angenehm glaubhaft, denn Media Arts zogen es vor starre Gut- und Böse-Muster zu vermeiden. In der Kolonie gibt es eigentlich kaum jemanden mit dem man keine Vereinbarung treffen kann, so unangenehm er auch erscheinen mag. Auf der anderen Seite bekommt man an solch einem Ort auch rein gar nichts geschenkt. Es macht auf jeden Fall Spaß die erfreulich sinnvollen Quests zu lösen und sich Stück für Stück in die Freiheit zurückzukämpfen. Interessant und bislang unerwähnt ist auch das Setting der Spielwelt. Neuro Hunter setzt auf Cyberpunk, was eben so cooles Zeugs wie Computerhacking, Genmutanten und Laserwaffen ermöglicht. Auch hier haben Media Arts eine unverbrauchte Nische gewählt.

Computerspezialist, Kämpfer oder Bastler? Hunter ist alles zugleich!

Unser Computergenie muss also einen Weg zurück in die Freiheit finden. Das geht aber nur, wenn er die richtigen Verbündeten findet und jede Menge Fleißarbeit für die Bewohner der Kolonie leistet. Zwischen den Siedlungen patrouillieren gefährliche Mutanten und sonstiges Kroppzeugs die engen Stollen und Höhlensysteme. Wie bereits erwähnt steuert man Hunter aus der Egoperspektive und erwehrt sich der Gegner in Echtzeit. Neben Nahkampfwaffen wie Messern, Stahlknüppeln oder einer Kreissäge gibt es auch einige Distanzwaffen wie Armbrüste und Gewehre. Die futuristischen und durchschlagskräftigen Laser- und Plasmawummen gibt’s erst sehr spät im Spiel. Schnelles Ego-Shooter-Geballer sollte man aber nicht erwarten, denn die Distanzwaffen haben allesamt eine relativ niedrige Schussfrequenz, außerdem ist Munition Mangelware und sollte sparsam eingesetzt werden. Beim Nahkampf empfiehlt es sich in Bewegung zu bleiben und die Gegner zu umkreisen, um möglichst wenige Treffer abzubekommen. Glücklicherweise funktioniert die WASD-Steuerung sehr gut. Mittels linker und rechter Maustaste wird entweder ein schneller Standardangriff oder eine starke aber langsame Attacke ausgeführt. Die Menüs sind übersichtlich gegliedert und lassen sich leicht bedienen. Für die nötige Übersicht unter Tage gibt es eine nützliche Automap die sogar Items, NPC’s und Gegner im Sichtradius markiert.

Erfüllte Aufträge und eliminierte Monster bringen Erfahrungspunkte, die ab einer gewissen Anzahl in sogenannte „Neuraxons“ umgewandelt werden. Diese Neuraxons darf man anschließend frei auf sieben verschiedene Skills verteilen, deren Levelcap bei Stufe 8 liegt. Die Levelstufe signalisiert auch die Menge an Neuraxons die man investieren muss, um die Fähigkeit zu verbessern (z. B. 2 Neuraxons für Level 2 oder 5 für Level 5 etc.). Hier eine Auflistung der Fähigkeiten:

  • Konstitution: Erhöht die Lebensenergie und die maximale Gewichtsobergrenze an Items und Ausrüstungsgegenständen, die Hunter mit sich herumschleppen kann.
  • Stehlen: Ist ein NPC anvisiert, ist es möglich ihn per Y-Taste zu bestehlen. Hierbei wird ein kleines Menü aufgerufen in dem man die Objekte des Opfers per Mausrad durchschalten kann. Ein Prozentwert zeigt die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Diebstahlversuchs an. Und eben dieser Prozentwert kann durch Aufleveln dieses Skills verbessert werden.
  • Programmieren: Neben regulären Items gibt es auch wertvolle Daten wie Schlössercodes oder Baupläne von den NPC’s zu stehlen. Dies funktioniert fast genauso wie gewöhnlicher Diebstahl, nur dass man die X-Taste betätigen muss und das statt eines Prozentwertes ein sich aufladender Balken nebst Ziffernwert den Erfolg bestimmt. Darüber hinaus erhöht ein Level-Up in Programmieren auch die Lebenspunkte unserer Hacking-Drohne „Instiller“, die wir in Cyberbattles nutzen können (dazu später mehr).
  • Intuition: Soll sich positiv auf Stehlen und Datendiebstahl auswirken. Es ist allerdings sinnvoller die Neuraxons direkt in Stehlen und Programmieren zu investieren. Die zweite Funktion von „Intuition“, die es angeblich ermöglicht sich besser an Geschützen und Gegnern vorbei- bzw. heranzuschleichen, hat sich in der Praxis nicht bestätigt. Folglich ist dieser Skill eher zu vernachlässigen.
  • Waffen: Um stärkere Waffen verwenden zu dürfen, bedarf es den entsprechenden Skilllevel. Kurz gesagt: Seht zu, dass ihr diesen Skill fleißig hochlevelt!
  • Konstruieren: Wer schon immer mal MacGyver Konkurrenz machen wollte, investiert in diese Fähigkeit, die es Hunter ermöglicht immer kompliziertere Baupläne für Waffen, Rüstungen, Munition und improvisierte Nahrungsmittel umzusetzen. Die erforderlichen Items liegen überall in der Kolonie verstreut. Man sollte also alles einsacken was nicht niet und nagelfest ist. Dank „Konstruieren“ kommt der Krempel sicherlich irgendwann zum Einsatz!
  • Schlösser knacken: Dieses Talent sollte sich von selbst erklären. Einige Schlösser lassen sich nur bei entsprechendem Skilllevel knacken. Nur blöd, dass man für die meisten Türen im Verlauf der Handlung sowieso entsprechende Schlüsselcodes bekommt. Für verschlossene Behälter genügt es diesen Skill auf maximal Level 3 zu pushen – also kann auch diese Fähigkeit eher vernachlässigt werden.

Da wir einen professionellen Programmierer und Computerhacker spielen, erklärt es sich von selbst, dass auch dieser Umstand ins Gameplay integriert wurde. So finden sich zahlreiche Computerterminals vor, aus denen Hunter Informationen und Baupläne herauskopieren kann, die dann natürlich jederzeit im entsprechenden Menü nachgelesen werden können. Elektronische Schlösser von Toren und Behältern werden durch ein kleines Code-Minigame geöffnet, welches jedoch auf Dauer nerven kann, da es sich stets wiederholt. Einige wenige Behälter und Schalttafeln werden wiederum durch ein Minesweeper-artiges Minigame geschützt, in dem Hunters Hacker-Drohne Instiller zum Einsatz kommt. Instiller muss vom unteren Spielfeldrand zum oberen Durchbrechen ohne zu viel Schaden durch die Cyberminen zu nehmen. Ziffern zeigen an, wie viele Minen sich in unmittelbarer Nähe zu Instiller befinden.

Wirklich interessant wird’s aber erst, wenn Hunter einen Kontrollpunkt für lästige Geschütztürme und dergleichen unter Kontrolle bringen muss. Dies geschieht durch ein nettes Real-Time-Strategy-Minigame in dem abermals Instiller die Hauptrolle übernimmt, aber auch sekundäre Hackerprogramme gesteuert werden wollen. Mithilfe seiner kleinen Truppe von Hacker-Drohnen gilt es nun feindliche Einheiten, Geschütztürme und Basen zu zerstören bzw. zu korrumpieren, um die Kontrolle über die Geschütze in der Realen Welt zu erlangen. Die Geschütze lassen sich anschließend manuell anwählen und bedienen. Leider leidet das RTS-Minigame unter seiner mäßigen Steuerung, die es komplizierter macht als es sein sollte. Eine nette Dreingabe ist es dennoch und macht nach der nötigen Eingewöhnungsphase auch Laune.

Wie ihr seht bietet Neuro Hunter jede Menge Spiel fürs Geld. Dies betrifft nicht nur die Qualität sondern auch die Quantität, denn an der Spieldauer hab ich ebenfalls nichts auszusetzen. Zu kritisieren habe ich eigentlich nur kleinere Dinge: So fällt der finale Bosskampf, falls man dieses Gefecht überhaupt so bezeichnen kann, sehr enttäuschend aus. Irritierend waren auch die jämmerlichen Konsequenzen bezüglich Fehlverhaltens von Seiten des Spielers. Bei gescheiterten Diebstählen, körperlicher Gewalt gegen friedliche NPC’s usw. passiert nämlich erst mal gar nichts. Erst nach mehreren Vorfällen aktiviert sich eine Wachdrohne, die uns für einen begrenzten Zeitraum mit Lasern traktiert. Ist dieser Zeitraum überstanden war’s das aber auch schon wieder und den NPC’s ist es sowieso egal was man so treibt. Das ist dann wohl der Punkt, wo den Entwicklern das Geld, die Zeit oder Lust ausgegangen ist. Am nervigsten ist jedoch der Aspekt der Spielzeitstreckung durch lange Laufwege. Man muss häufig zwischen den einzelnen Siedlungen und Auftragszielen pendeln, was jede Menge Fußarbeit nach sich zieht. Das hätte man eleganter lösen sollen.

Wer sich länger mit Neuro Hunter beschäftigen möchte, kann auch einen höheren Schwierigkeitsgrad anwählen, der die LP-regenerierende Rasten-Option via Bett deaktiviert, so dass man umso mehr auf entsprechende Gegenstände angewiesen ist. Trotz seiner Low Budget-Herkunft wäre dieses Spiel durchaus einen weiteren Durchgang wert. Nur so als freundliches Kompliment für ein gutes Spiel.

Grafik, Sound und Präsentation

Grafik: Wie nicht anders von einem Low Budget-Game zu erwarten, ist die Grafik der größte Schwachpunkt. Oberflächlich betrachtet sehen die Minenstollen und Siedlungen ja ganz nett aus, schaut man sich die Texturen jedoch mal näher an, merkt man schnell, dass da nicht viel dahintersteckt. Auch die Spielfiguren können nicht überzeugen. Die NPC’s wirken allesamt sehr puppenhaft und sehen aus, als ob ihnen ein Stock im Arsch stecken würde. Mehr Animationen hätten da sicherlich ausgeholfen.

Um zumindest etwas Eindruck zu schinden wurden einige Rendersequenzen integriert, die auch tatsächlich einen gewissen Belohnungseffekt entfalten. Leider unterlief den Entwicklern ein ziemlich peinlicher Proportionsfehler in diesen Sequenzen. Die Charaktere verfügen dort über riesige Hände, die einfach nur beknackt aussehen! Es gibt wohl kein Review zu Neuro Hunter, in dem sich die Tester nicht das Maul über diesen Fehler zerreißen, weswegen ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen möchte. Schließlich wird das eigentliche Spiel dadurch nicht schlechter. Außerdem werden allerlei Auflösungsstufen unterstützt!

Sound: Der OST von Neuro Hunter würde gut zu einem Hacker-Film passen. Da Computerhacking einen gewissen Teil der Story ausmacht, ist er zumindest nicht völlig fehl am Platz. Das Problem ist jedoch, dass vergessen wurde variierende Tracks für das Spiel zu schaffen. Da man einen großen Teil des Spiels in unheimlichen, von Mutanten bevölkerten Stollen und Höhlensystemen verbringt, hört sich der Soundtrack oftmals deplatziert an.

Die Sprachausgabe hingegen ist relativ gelungen, auch wenn manche Betonungen falsch gesetzt wurden. So gibt es zum Beispiel eine Szene in der sich Hunter für eine Dienstleistung bedankt, die er zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal bezahlen kann. Seine Dankesbekundigung fällt jedoch, in akustischer Hinsicht, äußerst sarkastisch aus. Und das war nur ein Beispiel. Ferner hätte ich mir gewünscht, dass die Kreaturen und Mutanten eklige und unheimliche Laute von sich geben. Das wäre dann auch der Atmosphäre zugute gekommen.

Präsentation: Wie im Vorfeld abzusehen war, fällt Media Arts RPG in audiovisueller Hinsicht recht bescheiden aus. Dafür wurde es recht sauber programmiert. Bugs treten nur sehr selten auf und beschränken sich auf Kleinigkeiten wie fehlerhaft dargestellte Ä-, Ö- und Ü-Umlaute oder „versteinerte“ NPC’s. Letzteres Problem kann man lösen indem man das Gebiet verlässt und erneut betritt oder speichert und neu ladet – wobei die betroffenen NPC’s in der Regel sowieso unwichtig sind. Der einzige schwerwiegende Bug der mir aufgefallen ist, war der mit dem NPC „Toadstool“. Im Verlauf der Handlung soll man einen Schlüsselcode von ihm bekommen, was auch ein späteres Ereignis mit einem anderen NPC triggert. Wenn man diesen Schlüsselcode nun im Vorfeld von Toadstool gestohlen hat, wird sowohl die entsprechende Dialogzeile mit ihm sowie das komplette Ereignis mit dem anderen NPC annulliert. Zwar kann man das Spiel auch ohne diese Sequenzen weiterspielen, da man den Schlüsselcode ja trotzdem bekommt, aber ärgerlich sind solche Fehler natürlich dennoch.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
74
74
-
Multiplayer

FAZIT

Nicht schlecht! Wirklich nicht schlecht was Media Arts aus ihren begrenzten Mitteln herausgequetscht haben! Neuro Hunter ist zwar kein Hit, macht aber mehr Spaß als so manch anderes völlig überhypte Vollpreisprodukt, wie z. B. das erste Two Worlds. Bei Low Budget-Titeln ist es einfach wichtig, dass man nicht mit falschen Erwartungen herangeht. Wer den hohen Qualitätsstandard eines Deus Ex oder Arx Fatalis voraussetzt wird enttäuscht sein und dem Spiel die Chance verweigern, die es verdient hat. Dieses Schicksal wird Neuro Hunter jedoch nicht gerecht, denn hinter dem hässlichen Entlein verbirgt sich ganz einfach ein gutes, spaßiges Action-RPG, welches es wert ist durchgespielt zu werden! Ich persönlich würde jedenfalls gerne eine Fortsetzung sehen, auch wenn die Chance hierfür verschwindend gering ist.

- Von  Volker

MS Windows

Neuro Hunter REVIEW

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