Manual Samuel REVIEW

Wir schreiben das Jahr 2018. Inzwischen kann die hiesige Gesellschaft auf rund 40 Jahre Videospielgeschichte zurückblicken – und wie es eben so ist, haben sich in all der Zeit Entwicklungen vollzogen, Normen etabliert und Erwartungen an sehr, sehr grundlegende Dinge in Videospielen entwickelt, die in aller Regel von gegenwärtigen Spieleentwicklern erfüllt werden. So ist es intuitiv wohl jedem Spieler klar, dass er seine Charaktere in Rollenspielen oder Jump‘n Runs mit W, A, S und D oder dem Stick auf seinem Controller problemlos in Bewegung setzen kann. Geradezu absurd würde wohl ein Spiel wirken, bei dem der Spieler ganz grundsätzliche Koordinationen oder Körperfunktionen seiner Figur steuern müsste.

Tja. Und damit sind wir schon beim springenden Punkt des im Folgenden getesteten Videospiels angelangt: Manual Samuel verlangt von euch genau das…

Schnösel-Sam

Doch bevor ich näher auf die Spielmechanik eingehe, werfen wir uns einfach direkt ins Getümmel und starten das Spiel, bei dem uns sowohl ein Singleplayer– als auch ein Koop-Modus zur Verfügung stehen. Sobald es losgeht, findet ihr euch in einem Café wieder, in dem ihr mit der gegenwärtigen Situation des Protagonisten Sam konfrontiert werdet. Sam ist ein schnöseliger, wirklich nicht allzu sympathisch wirkender junger Mann, der als Kind reicher Eltern nie arbeiten musste und für den allein die Vorstellung von harter Arbeit der blanke Horror ist. Ohne je etwas geleistet haben zu müssen, ist er stinkreich und stets auf sich selbst bedacht. Seine Freundin ist inzwischen von seiner Verhaltensweise nicht mehr allzu angetan – in besagtem Café entwickelt sich ein Streit, an dessen Ende sie ihm ganz gehörig eine zimmert, woraufhin ihr eine kurze Spielsequenz übernehmt, bezahlt, das Café verlasst und in der Rolle Sams direkt in einem Autounfall ums Leben kommt.

Ziemlich bitter – vor allem für Sam, der umgehend in der Hölle landet, weil gute Taten nicht zu den Stärken seines Lebens gehörten. Und der Begriff „Hölle“ trifft auf ihn in diesem Zusammenhang besonders gut zu: Als könnte sein Ableben nicht bereits schlimm genug sein, erfährt er, dass jeder in der Hölle angekommenen Seele ein Job zugewiesen wird! Natürlich steht spätestens ab diesem Punkt fest, dass er dort unmöglich bleiben kann. Also handelt er mit dem Tod höchstpersönlich – einem Skater, der sich seit geraumer Zeit vergeblich an Kickflips versucht und Sam gerne als „Bro“ anspricht – einen Deal aus: Wenn es Sam gelingt, zurück an der Erdoberfläche 24 Stunden selbständig zu überleben, darf er ins diesseitige Leben zurückkehren.

Wow, Sam kann jetzt auch ein paar Schritte gehen!

Nachdem ihr bereits in der kurzen Sequenz im Café etwas mit der Spielmechanik vertraut gemacht wurdet, beginnt das eigentliche Spiel nun in Sams protzigem Haus. Was der Tod ihm verheimlicht hat: Sam muss nun wirklich jede Kleinigkeit in kompletter Eigenregie erledigen – und dies schließt vor allem euch als Spieler ein. Fortbewegen kann sich Sam nicht etwa per einfacher Bedienung des Sticks, sondern ihr müsst sorgfältig einen Schritt um den anderen selbst steuern. Mit den Schultertasten eures Controllers bzw. eurer Controller steuert ihr dabei etwa das linke und das rechte Bein und macht somit einzelne Schritte. Zwei mal hintereinander ein Schritt mit demselben Bein, und Sam findet sich auf dem Boden wieder. Doch damit nicht genug: Per Knopfdruck müsst ihr auch immer wieder dafür sorgen, dass Sam blinzelt; andernfalls verschwimmt der Bildschirm zunehmend. Auch ans Ein– und Ausatmen muss gedacht werden, sonst fällt Sam früher oder später in Ohnmacht. Im Koop-Modus teilt ihr euch diese Aufgaben, wodurch beispielsweise ein Spieler das linke, der andere das rechte Bein steuert.

Ihr seht: Die kleinen Dinge des Alltags sind es im Spiel, um die ihr euch kümmern müsst. Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass ihr mit Sam erst einmal Zähne putzen, frühstücken und – bestenfalls ohne eine riesige Sauerei anzustellen – pinkeln müsst, bevor ihr das Haus verlasst. Kommentiert werden all eure Aktionen durch den mit sarkastischem, dunklem Humor ausgestatteten Erzähler, der ebenfalls nur bedingt Sympathie für Sam zu empfinden scheint, und der einen der zentraleren Unterhaltungsaspekte von Manual Samuel darstellt. Auch wenn sich die Witze hier teilweise doch etwas ähneln und der Humor nach spätestens einer Stunde im Grunde genommen komplett durchleuchtet ist, ist dieser Aspekt durchaus gut umgesetzt. Eine individuelle Geschmacksfrage, ob dieser trockene, dunkle Humor und beispielsweise die Darstellung des Todes mit Skaterklamotten und Jugend-Slang dem jeweiligen Spieler zusagt, bleibt es vor dem Kauf des Spiels dennoch.

Die Spielmechanik hört sich äußerst gewöhnungsbedürftig an – und das ist sie auch. Wer jemals eine Handvoll Videospiele gespielt hat, dürfte von einem Titel überrascht sein, bei dem jeder einzelne Schritt sorgfältig erledigt werden muss. Dieses Prinzip bleibt auch bis zum Ende eine recht fummelige Angelegenheit, was aber sicherlich auch so gewollt ist. Neben diesen Alltagsaufgaben müsst ihr dann je nach Spielabschnitt noch weitere Passagen übernehmen, die nochmals eine zusätzliche Steuerung haben.

Erwähnt werden muss hier jedoch auch, dass die Steuerung vielen Spielern schnell auf die Nerven gehen kann, mitunter auch deshalb, weil es doch sehr bald eine monotone Angelegenheit wird. Klar: Anfangs ist es erst einmal interessant, all die kleinteiligen Körperfunktionen zu übernehmen; dies bewahrt das Spielprinzip jedoch nicht wirklich davor, allmählich ziemlich lästig zu werden. So witzig die Idee ist, durch eigene Eingabe des Ein– und Ausatmen oder das Blinzeln Sams zu steuern: Ein spielerischer Mehrwert, der wirklich Spaß macht, entsteht dadurch schlichtweg nicht. Vielmehr handelt es sich um einen permanenten Störfaktor auf eurem Weg durch die Story und die eigentlichen Aufgaben, die ihr erledigen müsst.

Interaktiver Comic

Dass das Erledigen kleinster Aufgaben im Laufe des Spiels lästig werden kann, ist umso bemerkenswerter, da das Durchspielen der Story auch bei gemütlichem Tempo bei nur etwa zwei Stunden liegt – eine doch sehr kurze Zeitspanne, innerhalb derer ihr durch verschiedene Stationen in Sams Alltag navigiert. Das Vorgehen dabei ist außerdem extrem linear. Da ihr euch nur umdrehen und einfache Schritte nach links oder rechts machen könnt, besteht keine wirkliche Möglichkeit, selbst einen Weg zu suchen, denn der ist stets klar vorgegeben. Der Monotonie kann dieser Umstand leider auch keine richtige Abhilfe verschaffen. Insgesamt trägt auch dieses Charakteristikum dazu bei, dass Manual Samuel im Grunde bisweilen weniger wie ein Videospiel, sondern eher wie ein interaktiver Comic wirkt: Eine Erzählerinstanz vermittelt durchaus unterhaltsam große Teile der Handlung und ist das vielleicht stärkste Stück des gesamten Spiels, während der Anteil, den ihr übernehmt, trotz unterschiedlicher Aufgaben doch sehr den immer gleichen, kurzen Spielsequenzen ähnelt, bei denen ihr beispielsweise einfach mit dem richtigen Timing eine Taste bedienen müsst. Dazu noch die manuell gesteuerten Körperfunktionen – und im Grunde genommen war es das auch schon. Spieltiefe oder eine ausgeprägte Mechanik? Fehlanzeige!

Der Comic-Look selbst ist dabei unspektakulär, aber angemessen; die akustische Untermalung geht soweit in Ordnung und fällt ebenso wenig positiv oder negativ auf. Trotz deutscher Untertitel sind die Synchronsprecher allerdings lediglich in englischer Sprache verfügbar. Dadurch fällt mitunter auch auf, dass einige Gags etwas unter der Übersetzung ins Deutsche gelitten haben.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
65
63
60
Multiplayer

FAZIT

Manual Samuel kommt mit einer frischen und anfänglich auch durchaus interessanten Idee daher, die in ihrer Umsetzung aber leider nicht uneingeschränkt funktionieren und auf Dauer zu motivieren vermag. Dies liegt einerseits an der sehr kurzen Spieldauer und andererseits an der wenig abwechslungsreichen und bald lästigen Spielmechanik. Eine gute Wertung ist für diesen Titel daher einfach nicht möglich - dazu sind schlichtweg zu viele Fehler enthalten, die für ein Videospiel Abzug geben müssen. Wer das Spiel allerdings eher als den erwähnten interaktiven Comic betrachtet, mit dieser Idee auch einverstanden ist und auch dieser Art des Humors nicht abgeneigt ist, kann einen Blick riskieren.

- Von  Roman

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USK 16 PEGI 16

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