Hitman: Contracts REVIEW

Nach dem großen finanziellen Erfolg von „Hitman 2: Silent Assassin“, war es nur eine Frage der Zeit, ehe die dänischen Entwickler von Io-Interactive eine weitere Fortsetzung kreieren würden. Die große Frage lautet jedoch, ob man bei Hitman: Contracts, dem dritten Spiel der Serie, überhaupt von einer vollwertigen Fortsetzung sprechen kann? Bis zu einem gewissen Grad, handelt es sich bei Contracts nämlich um ein Remake des ersten Hitman-Spiels „Hitman: Codename 47“. Ein Umstand, der eventuell auch darin begründet liegt, dass Codename 47 niemals für Konsolen erschienen ist, und man den Konsolen-Spielern somit die Gelegenheit geben wollte, die spannenden Aufträge aus dem Original doch noch zu erleben. Unabhängig von diesen Gedanken, lässt Contracts aber weitreichende Verbesserungen und Änderungen im Vergleich zum Vorgänger vermissen. Das Spiel wirkt eher wie ein gehörig aufpoliertes Add-on zu Teil 2, statt eines vollwertigen neuen Hitman-Spiels. Dementsprechend spaltet das Spiel auch die Fangemeinde: Für manche ist es nur ein lauer Aufguss, andere hingegen sehen in Hitman: Contracts sogar den besten Teil der Serie. Letztere Meinung fußt wohl hauptsächlich auf der enorm düsteren und erwachsenen Atmosphäre, die Contracts aufbaut. Ob das allein jedoch ausreicht, um das Spiel zu einem Pflichttitel in seiner Genre-Nische werden zu lassen oder nicht, möchte ich euch im folgenden Review darlegen.

Die Fieberträume eines Profikillers

Auch ein genetisch erschaffener Übermensch wie Agent 47 ist nicht perfekt. Der kahlköpfige, in einem Labor herangezüchtete Auftragskiller ist bei seinem letzten Auftrag in eine Falle getappt und hat sich infolgedessen eine Kugel eingefangen. Mit letzter Kraft flüchtet er in seinen Schlupfwinkel – ein schäbiges Zimmer in irgend einem heruntergekommenen Hotel in den Slums von Paris. Dort holt ihn die Agonie der Schusswunde recht schnell ein und lässt ihn zahlreiche vergangene Aufträge in Form von Fieberträumen und Wahnvorstellungen durchleiden. Ob nun doch noch ein Wunder geschieht, und 47 mit dem Leben davonkommt, oder ob der legendäre Profikiller jämmerlich in seinem Zimmer verreckt, müsst ihr jetzt aber schon selbst herausfinden.

Tja, und damit wäre die Handlung auch schon abgewickelt. Das was man hier spielt, ist im Grunde genommen bloß ein bizarrer Todeskampf von Agent 47 in Form von Alpträumen und Visionen. Dementsprechend düster gestaltet sich auch die Atmosphäre. In jeder Mission herrscht schmuddeliges Regenwetter bei finsterer Nacht. Das gilt sogar für die Remake-Aufträge, die im Originalspiel „Codename 47“ ja eigentlich oftmals unter schönen blauen Himmel stattfanden. Die Alpträume gehen sogar so weit, dass es passieren kann, dass man plötzlich einem spukenden Geist(!) begegnet oder gewisse Dinge einfach keinen Sinn mehr ergeben. So startet man jede Mission mit derselben Standard-Ausrüstung, die nicht immer für den jeweiligen Einsatz geeignet ist und die Aufträge somit erheblich schwieriger gestaltet. Wer jedoch begreift, dass man es hier mit einer (Alp)Traumwelt zu tun hat, kann solche Dinge akzeptieren und sich angemessen auf diesen finsteren Nahtod-Höllentrip einlassen.

Ärgerlich ist hingegen, dass Contracts trotz seiner Remake-Natur Neulinge komplett außen vor lässt. Weder das Handbuch noch die Ingame-Narrative gibt darüber Aufschluss, wer der glatzköpfige Typ überhaupt ist, warum er denn nun als Auftragskiller arbeitet und in welchem Zusammenhang die Remake-Missionen der zweiten Spielhälfte stehen.

Contracts geht sogar soweit, dass die Einsatzbesprechungen und Missionsziele dieses mal optional aufgerufen werden müssen und bei weitem nicht so detailverliebt aufgemacht wurden, wie von den Vorgängern gewohnt (gibt zum Beispiel keine Filmaufnahmen der Zielpersonen mehr). Die Programmierer von Io-Interactive gehen felsenfest davon aus, dass man zumindest den ersten Teil gespielt hat und somit ganz genau weiß, was hier abläuft.

Bezüglich der Story-Präsentation also mal wieder eine sehr schwache Leistung von den Dänen. Diesen groben Mangel kann meines Erachtens auch die tolle Atmosphäre und die teilweise echt genialen Aufträge nicht wieder wett machen. Ich verstehe nicht, wieso man solch einem coolen Charakter wie 47 keine bessere Handlung spendiert? Das durchaus clevere Grundkonzept von Contracts hätte nämlich perfekt gepasst, um die Herkunftsgeschichte des Hauptcharakters angemessen aufschlussreich und spannend darzustellen. Schade um die verpatzte Chance.

Profikiller Simulator 2004

Abgesehen davon, dass man die ohnehin frei konfigurierbare Tastenbelegung etwas abgeändert hat, steuert sich Contracts genauso wie sein Vorgänger. Was genau der kahlköpfige Auftragskiller alles drauf habt, solltet ihr inzwischen wissen, oder eben in meinen Berichten zu den Vorgängern nachlesen.
Neulinge bekommen aber ohnehin einen rein optionalen Trainings-Modus spendiert, wo man innerhalb einer Bunkeranlage in drei verschiedenen Trainings-Passagen herumexperimentieren darf. Hier werden sowohl Schusswaffen, Scharfschützengewehre als auch einige Stealth-Mechaniken abgewickelt. Der Stealth-Parcour ist allerdings recht misslungen, und schreckt den Spieler eher ab, als ihn gekonnt an die Materie heranzuführen. Aber immerhin gibt’s dort einige Soldaten, an denen man seine Schießprügel ausprobieren darf, wenn einem die regulären Schießstände zu langweilig werden. Keine Bange, Agent 47 ist im Trainings-Modus unsterblich.

Die zahlreichen Schusswaffen (locker über 30 Knarren stehen zur Auswahl) werden hier aber erst freigeschaltet, wenn man sie aus einer abgeschlossenen Mission mitführt. So ähnlich war es ja auch schon im Vorgänger. Wer eine Mission mit dem höchstem Rang „Lautloser Killer“ abschließt, bekommt obendrein eine verbesserte Version eines bestimmten Waffentyps freigeschaltet (meistens wird entweder ein Schalldämpfer auf die Waffe gepackt oder man darf mit zwei Waffen des gleichen Typus herumhantieren). Aber im Endeffekt, ist der Trainings-Modus freilich nur belangloses Geplänkel.

Wie gehabt, bietet Hitman drei Schwierigkeitsgrade (Normal, Experte und Profi). Höhere Schwierigkeitsgrade bedeuten weniger Lebensenergie, spärlichere Kartenmarkierungen, effektivere Gegner-K.I. Und vor allem eingeschränkte Speichermöglichkeiten innerhalb einer Mission. Wo man auf „Normal“ noch sieben mal zwischenspeichern darf, muss man auf „Experte“ mit zwei Speicherungen pro Auftrag auskommen. Und auf „Profi“ wird nur zwischen den Aufträgen gespeichert, was freilich nur ein Fall für Masochisten ist.

Das Spiel setzt sich aus insgesamt 12 Aufträgen zusammen. Contracts unterscheidet sich von den Vorgängern dahingehend, dass jeder Auftrag mit derselben Standard-Ausrüstung beginnt. Die Silverballer-Doppelpistolen, eine Klaviersaite, eine Betäubungsspritze, Dietrich, Feldstecher (Fernglas) und Nachtsichtgerät. Manchmal erhält man auch einen Koffer mit Scharfschützengewehr. Die aus den Vorgängern bekannte Option, vor Missionsbeginn seine eigene Ausrüstung zusammenzustellen, wird erst freigeschaltet, wenn man das Spiel durchgespielt hat.

Diese Einschränkung hat den Zweck, Hitman stärker ins Genre der Stealth-Adventures zu bewegen. Der Vorgänger ist ballerfreudigen Spielern ja sehr entgegen gekommen. Dieser Entwicklung wollten die Programmierer jedoch entgegenwirken, und haben nicht nur das Ausrüstungssystem in die Game+-Bonussektion verbannt, sondern auch die Kampfkraft der Gegner ordentlich angehoben. Ich weiß zwar nicht, wie es auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe abläuft, weil ich Contracts nur auf „Experte“ gespielt habe, aber wer meint, er könne sich auf den höheren Graden in Rambo-Manier durchballern, beißt schneller ins Gras als er gucken kann. Manchmal konnte ich gar nicht richtig reagieren, da war der Heilbalken schon aufgebraucht und die originelle Slow-Motion Gnadenfrist setzt ein, in derer man immerhin noch ein paar der Gegner mit in den Tod reißen kann, bevor 47 stirbt.

Glücklicherweise wurden die Stealth-Mechaniken in Contracts deutlich verbessert, so dass der Einsatz von Brachialgewalt ohnehin kaum notwendig ist. Das fängt schon beim Schleichen an. In Hitman 2 war es noch verdammt knifflig sich von hinten an ein Opfer heranzuschleichen, um dieses lautlos mit der Klaviersaite zu erdrosseln. In Contracts stellt solch ein Manöver kein großes Problem mehr dar, denn die überirdische Aufmerksamkeit der Gegner-K.I. wurde endlich auf ein vernünftiges Maß reduziert. Das macht sich dann auch beim altbekannten Verkleidungssystem bemerkbar. Der Aufmerksamkeitsbalken schlägt zwar nach wie vor gerne mal in den roten Bereich aus, doch solange man nichts allzu Verdächtiges anstellt und den feindlichen Wachen nicht zu sehr auf die Pelle rückt, belassen sie es i.d.R. bei einer misstrauischen Bemerkung.

Das enorm umständlich zu handhabende Chloroform-Fläschchen aus dem Vorgänger wurde gegen die Betäubungsspritze ausgetauscht, die wesentlich schneller und zuverlässiger arbeitet. Zu guter Letzt, gibt es nun noch mehr Möglichkeiten sich seiner Opfer zu entledigen. Wer sich in den Levelkarten gut umguckt, findet viele Schlüsselgegenstände, mit denen sich allerhand Schindluder treiben lässt. So kann man einen Benzinkanister als improvisierte Bombe zweckentfremden, dem Zielobjekt Abführmittel ins Essen mischen, damit man dieses ungestört beim darauffolgenden Stuhlgang heimsuchen kann, eine Portion Rattengift auftreiben, um die Henkersmahlzeit zu würzen oder ein Kissen verwenden, um das Opfer im Schlaf zu ersticken. Kreativität und Entdeckerfreude zahlen sich halt auch für Profikiller aus. Und wenn das nicht weiterhilft, oder man doch eher ein Pragmatiker ist wie ich, dann findet sich bestimmt eine praktische Dachluke für einen gezielten Kopfschuss oder ein schönes Plätzchen mit toller Aussicht, wo man das Scharfschützengewehr auspacken darf.

Den zwölf Aufträgen liegen freilich viele originelle Schauplätze zu Grunde. Die neuen Missionen umfassen dabei zum Beispiel eine SM-Party in einem Schlachthaus, ein englisches Herrenhaus oder das Clubhaus einer holländischen Biker-Gang. Bei den Aufträgen in der zweiten Spielhälfte, handelt es sich dann um die Remake-Missionen basierend auf Codename 47. Damit sich Kenner des ersten Teils nicht zu sehr langweilen, wurden diese Missionen freilich etwas abgeändert. Manche dieser Missionen wurden verbessert, weil man nun oftmals mehr Möglichkeiten hat, an sein Ziel zu gelangen als im Original. Allerdings bin ich nicht mit jeder Änderung einverstanden. Oftmals hatte ich den Eindruck, der Schwierigkeitsgrad der Remake-Missionen wurde künstlich in die Höhe gedrückt. Der Auftrag im Hotel zum Beispiel nervt damit, dass eine der Zielpersonen das Thermalbad neuerdings ganz für sich alleine beanspruchen darf und sogar einen Wachmann zur Verfügung gestellt bekommt. Kann mir keiner weismachen, dass ein Hotel so ne Nummer für nen ollen Zahnarzt durchdrückt. In Codename 47 war diese Situation viel realistischer, weil sich der Typ das Bad mit anderen Gästen teilen musste und sich 47 ebenfalls als Badegast eingeschmuggelt hat, um an sein Ziel heranzukommen.

Dann ist da noch der Auftrag mit der Autobombe, welcher im Original einer meiner persönlichen Highlights war (wie eigentlich alle China-Aufträge). In Contracts hat man diesen simplen aber herrlichen Auftrag versaut: Zuerst muss man die Bombe erst einmal in der Levelkarte finden, was freilich unlogischer Blödsinn ist (ich weiß, es ist ein Alptraum von 47 und nicht die Realität, aber trotzdem). Dann muss man ein ebenso unlogisches Script einhalten, denn der präparierte Wagen fährt erst los, wenn man den Chauffeur in die Kanalisationsluke gezerrt hat (warum auch immer, ich hatte ernsthaft gedacht, ich wäre hier auf einen Bug gestoßen). Und dann soll man noch zwei Typen im Lokal umnieten, die nur da hocken, um die Sache komplizierter zu machen und in die Länge zu ziehen. Sorry, aber es gibt einen großen Unterschied zwischen herausfordernden Missionsdesign und künstlichen Maßnahmen, um die Schwierigkeit anzuheben und somit die Spielzeit zu strecken.

Apropos Spielzeit: Ein geübter Hitman-Spieler, sollte ca. 10-12 Stunden für Contracts benötigen. Ein klein wenig länger hätte der Spaß schon sein dürfen. Der Vorgänger bot da einfach mehr Umfang, auch wenn die Aufträge in Contracts etwas komplexer und experimentierfreudiger ausgefallen sind, als in Hitman 2: Silent Assassin.

Ein weiteres Pfui gibt’s dann noch für das unvollständige Remake, denn die Kolumbien-Level aus Codename 47 hat man hier ärgerlicherweise unter den Tisch fallen lassen. Bei einem vollständigen Remake, hätte dann wohl auch der Umfang gepasst. Vergesst aber nicht, dass das alles Meckerei auf hohem Niveau ist, denn auch Contracts bietet wieder sehr viel Spielspaß für Möchtegern-Auftragskiller.

Grafik und Sound

Grafik: Einer der großen Schwachpunkte von Hitman 2 war die bescheidene Grafik. Ehrensache, dass man hier kräftig nachgebessert hat. Die Levelkarten bieten endlich eine angemessene Detailstufe und Texturqualität. Wenn auch kein optischer Meilenstein, so ist in Contracts definitiv ein großer Qualitätssprung zu verzeichnen! Erfreulich ist weiterhin, dass Hitman: Contracts, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, alle gängigen Auflösungsstufen unterstützt.

Für zartbesaitete Gemüter ist Hitman jedoch weniger geeignet denn je. Die neuen Schauplätze sind nun besonders düster gehalten und bieten sehr erwachsene Themen, sowie einige besonders heikle Entdeckungen: So kann man hautnah einer Elektroschock-Folter beiwohnen, einen Selbstmord beobachten oder mit SM-Gimps auf dem Dancefloor das Tanzbein schwingen. Es ist mir ein Rätsel wie das Spiel an der Indizierung vorbeigekommen ist – nicht das ich mich deswegen beschweren würde.

Sound: Wie gehabt stammt der Soundtrack von Jesper Kyd und ist entsprechend hochwertig ausgefallen. Jedoch ist der neue OST sehr gewöhnungsbedürftig. Er wirkt wie eine besonders düstere und pervertierte Mischung aus den Soundtracks der beiden Vorgänger. Hierdurch passt er zwar perfekt zur angepeilten Atmosphäre, fordert aber ein gewisses Maß an Eingewöhnungszeit. Ich persönlich empfand den OST zunächst als zu abgedreht, aber nach einer Weile wuchs er mir dann doch stark ans Herz. Und nun gehört er zu meinen liebsten Soundtracks aus dem Hitman-Universum. Das wird aber definitiv nicht jeder so empfinden.

An der deutschen Sprachausgabe gibt es auch hier nichts zu kritisieren. Serien-Typisch dürfen die regulären NPCs ihre Muttersprachen behalten, was der Atmosphäre i.d.R zugute kommt, aber in einigen Fällen auch mal in die Hose geht. Das Gebrabbel der Niederländer zum Beispiel klingt in meinen Ohren kein bisschen glaubhaft. Wer sich mit den entsprechenden Fremdsprachen auskennt, wird also hier und da mit der Stirn runzeln.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
82
82
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Trotz der Wiederverwurstung und teilweise Verschlimmbesserung alter Aufträge, sowie der Abstinenz wirklicher Neuerungen, macht auch Hitman: Contracts wieder jede Menge Spaß! Die Fokussierung auf den Stealth-Aspekt der Serie, tut dem Titel richtig gut, auch wenn das schießwütige Spieler, die in Contracts derbe aufs Maul bekommen werden, freilich anders sehen dürften. Obendrein gibt es das dringend benötigte grafische Update und die finstere Atmosphäre der Fieberträume von Agent 47 ist eine Klasse für sich. Etwas umfangreicher hätte das Endprodukt aber schon ausfallen dürfen. In Anbetracht dessen, dass man einen Teil der Aufträge aus der Vorlage Codename 47 unter den Tisch hat fallen lassen, wiegt der bescheidene Umfang sogar doppelt ärgerlich. Nichtsdestotrotz dürfen Hitman-Fans und Stealth-Freunde wieder unbesorgt zugreifen. Das Spiel gibt es dieser Tage ohnehin problemlos zu einem niedrigen Preis zu kaufen.

- Von  Volker

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Hitman: Contracts REVIEW

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