Tokyo Mirage Sessions #FE REVIEW

Als Nintendo und Atlus Anfang 2013 mit einem kurzen Teaser-Trailer das Crossover zwischen Shin Megami Tensei (im folgenden SMT genannt) und Fire Emblem ankündigten, kippten ziemlich viele Fans von japanischen Rollenspielen von ihren Stühlen. Immerhin sind beide Serien bei Fans ziemlich populär und blicken auf eine Jahrzehnte lange Geschichte zurück. Nach langer und in ziemlichem Stillschweigen gehüllter Entwicklungszeit ist das mittlerweile als Tokyo Mirage Sessions #FE betitelte Projekt endlich auch bei uns erschienen und beschert der Wii U ein Exklusivspiel, auf welches Nichtbesitzer der Nintendo-Konsole ziemlich neidisch blicken werden. Warum das so ist, klärt der Test.

 

Ungewöhnlich ist Trumpf

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Die Idol-Thematik ist für ein JRPG ungewohnt, erweist sich aber als sehr frisches Setting.

Den Preis für den sperrigsten Videospieltitel 2016 dürfte sich Tokyo Mirage Sessions #FE ohne große Probleme einheimsen. Doch neben dem eigensinnigen Titel hat der komplett bei Atlus entwickelte Titel noch sehr viel mehr zu bieten. Dabei setzen die Macher zunächst vor allem auf die bewährten Säulen klassischer JRPGs, sprich ein rundenbasiertes Kampfsystem, Dungeons, einer üppigen Auswahl an Haupt- und Nebenquests und einer sich stetig um neue Elemente erweiternden Spielmechanik.

Konträr dagegen steht die ungewöhnliche Garnitur aus kunterbunter Grafik, einer im japanischen Showbusiness verorteten Handlung und einer Mixtur aus real existierenden und Fantasy-Elementen. Das ehemals als Shin Megami Tensei x Fire Emblem initiierte Projekt hat dabei auf den ersten Blick kaum noch etwas mit seinen Namensgebern zu tun, doch dieser Schein trügt. Vor allem bei seiner eigenen Marke hat sich Atlus enorm bedient. Weggefallen ist die in der Regel sehr düstere Grundthematik von SMT, geblieben sind spielerische Mechaniken und etliche Verweise auf das Franchise. Allerdings orientieren sich die Macher deutlich stärker an einem weiteren Spin-Off des Franchise, nämlich Persona.

Die handelnden Figuren Tokyo Mirage Sessions #FE sind nämlich zum überwiegenden Teil Oberschüler. Doch wo Persona den normalen Alltag japanischer Jugendliche als Gerüst nimmt, da wirft uns Tokyo Mirage Sessions #FE in das hiesige Idol-Business und behandelt den Alltag auf aufstrebenden Sternchen. Über Umwege landet Protagonist Itsuki Aoi, wie auch seine Jugendfreundin Tsubasa Oribe, bei einer Talent-Agentur, in der junge Künstler auf das Showgeschäft vorbereitet werden sollen. Allerdings ist die Fortuna Entertainment Agentur darüber hinaus auch ein Hort für die sogenannten Mirage Master. Diese sind, um es einmal einfach auszudrücken, in der Lage mit Mirage genannten Kreaturen in den Kampf gegen andere Dämonenwesen zu ziehen. Und warum das ganze? Die Mirage überfallen Tokyo und berauben die Menschen ihrer Lebenskraft, teilweise entführen sie gar ihre Opfer in eine Parallelwelt. Vor allem haben es die Dämonen dabei wohl auf Künstler abgesehen…

 

Persona x #wosteckthierFireEmblem?

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Entwickler Atlus mischt Elemente aus Fire Emblem und eigenen Marken. Die Einflüsse von SMT, Persona und Co. überwiegen aber deutlich.

Klingt alles sehr seltsam, und das ist es mitunter auch. Die ziemlich absurd klingende Handlung sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, das es die Story-Schreiber von Atlus mal wieder geschafft haben, eine sicherlich nicht sonderlich kreative Grundhandlung mit viel Spannung und liebenswerten Figuren zu füllen. Vor allem das Idol-Setting erweist sich als ziemlich frisch und unverbraucht. Aber halt! Wo steckt denn nun eigentlich der Fire Emblem Anteil in diesem Crossover?

Dieser fällt in der Tat recht gering aus und beschränkt sich beinahe nur auf Charaktere und diverse Cameos. So basieren die Mirage´s von Itsuki und Co. allesamt auf Figuren von Nintendo´s Strategie-RPG Reihe. Mit dabei sind etwa Chrom und Tharja aus Fire Emblem: Awakening und Caeda aus Fire Emblem: Shadow Dragon. Auch die Gegner basieren allesamt mehr oder weniger auf Figuren aus dem Nintendo Franchise. Das war es dann – abgesehen von winzigen Nuancen im Gameplay und Anspielungen – aber auch schon. Kein Wunder, das sich mancher Fire Emblem Fan zunächst vor dem Kopf gestoßen fühlt.

 

Rund, motivierend und intensiv – das Kampfsystem

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Das Gameplay, vor allem das Kampfsystem, können voll und ganz überzeugen.

Allerdings sollten schmollende Spieler nicht allzu lange in dieser Starre verweilen, denn dann würden sie sich selbst um eines der meiner Meinung nach besten Klassik-JRPGs der letzten Jahre bringen. Tokyo Mirage Sessions #FE schert sich nicht um aktuelle Entwicklungen im Genre, sondern setzt auf ein bewährtes Prinzip. Die Kämpfe werden in Runden ausgefochten, es gilt das klassische Stein-Papier-Schere Prinzip. Gegner haben verschiedene Waffen bzw. elementare Stärken und Schwächen, die es auszuloten gilt, um mit den im Laufe des Spieles auf sieben Charaktere anwachsenden Hauptcast die Auseinandersetzungen zu gewinnen.

Auch das Kampfsystem ist vor allem von Atlus-Titeln beeinflusst – inklusive deren Tiefgang. Allerdings haben sich die Entwickler nicht einfach in ein gemachtes Nest gesessen, sondern das Spielprinzip um neue Ideen stimmig erweitert. Aus Persona bekannt ist zum Beispiel bereits das hier in Session ungenannte Prinzip, nach welchen man Komboketten aktivieren kann, wenn man zuvor den Schwachpunkt des Gegners getroffen hat. So kann man in nur einer Aktion locker drei oder gar mehr Attacken auf einen Gegner einprasseln lassen.

Man schickt stets drei Charaktere in den Kampf, wobei man zwischen diesen – abgesehen von Itsuki, der fest in der aktiven Party sein muss – wechseln kann. Der Wechsel selbst nimmt keinen Aktionspunkt in Anspruch, Angriffe, das Verwenden von Items usw. hingegen schon. Mit jedem Kampf sammeln die Charaktere Erfahrungspunkte (übrigens auch, wenn sie nicht zur aktiven Party gehören!), die sie nicht nur im Level aufsteigen lassen, sondern auch neue Skills freischalten. Hier hat man irgendwann die Qual der Wahl, denn der Platz für aktive und passive Fähigkeiten ist begrenzt, weshalb man sich entscheiden muss, ob eine erlernte Fähigkeit bestehen oder zugunsten einer neuen ersetzt werden soll.

 

Komplexität erwünscht

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Auch bei den Dungeons haben sich die Entwickler Gedanken gemacht und die Popkultur-Thematik in das Design übertragen.

Doch hier hört es noch lange nicht auf. Tokyo Mirage Sessions #FE versteht es sehr gut selbst nach 10, 20 gar 30 Spielstunden noch neue Mechaniken in das Gesamtgerüst zu integrieren und diesem immer mehr Tiefe zu geben. Beispiel Waffen: sämtliche Waffen der Figuren müssen aus unterschiedlichen Materialien, die man als Belohnung durch erfolgreiche Kämpfe erhält, hergestellt werden. Jede Waffe bringt ein neues Set an erlernbaren Skills mit sich und nimmt Einfluss auf die eigenen Stärken und Schwächen. Nach einiger Zeit ist eine Waffe Mastered, sprich alle möglichen Fähigkeiten des Schwertes, Bogen, Axt etc. sind erlernt worden. Damit dürfte sich aber wohl kein Spieler zufriedengeben, weshalb neue Waffen her müssen. Die Anforderungen werden dafür immer knackiger und es entsteht eine regelrechte Sammelwut.

Beispiel Spezial-Fähigkeiten: im Laufe des Spieles kann man diverse Spezial-Fähigkeiten erlernen. Da gibt es zum einen die Special Performance Skills, die erst dann eingesetzt werden können, wenn eine entsprechende Leiste voll ist, dafür aber ziemlich mächtig sind. Daneben existieren noch die sogenannten Ad-Lib Performance, welche nach einem Zufallsprinzip aktiviert werden und aus einer normalen Aktion eine erweiterte machen, die um einiges mehr Wumms macht.

Um diese speziellen Fähigkeiten zu erlernen, müssen verschiedene Anforderungen erfüllt werden. Um die Ad-Lib Performance zu erhalten, muss man etwa die Side-Stories der Nebenfiguren abschließen. Dies lohnt sich nicht nur wegen der neuen Skills, sondern auch, weil man mehr Einblick in das Leben der Charaktere erhält. Es gibt übrigens auch einige Nebenquests, die man für NPCs machen kann. Hier winken meistens besondere Items als Belohnung und die zusätzlichen Erfahrungspunkte kann man ja sowieso immer gut gebrauchen. Wer möglichst schnell leveln möchte, der kann außerdem in einer Arena gegen mehrere Gegnerwellen antreten und so effektiv seine Charaktere pushen.

 

Farbenfroh und schrill

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Farbenfroh und schrill – beim Artdesign kann das Spiel ebenfalls punkten.

Auch abseits des runden Gameplays gibt sich Tokyo Mirage Sessions #FE keine Blöße. Klar, die technischen Möglichkeiten der Wii U sind im Gegensatz zu der Konkurrenz von Sony und Microsoft begrenzt. Dafür wissen die Entwickler aber sehr gut mit der Hardware umzugehen und technische Unzulänglichkeiten zu umschiffen. Optisch macht Tokyo Mirage Sessions #FE vor allem aufgrund seines Artdesigns etwas her. Der Mix aus kunterbunten Farben, den Anime-Charakteren und dem gegenwärtigen Tokyo, durch welches man sich in abgesteckten Arealen bewegen kann, hat mich von der ersten Minute an gepackt. Endlich mal ein Spiel, das nicht mit überwiegend dunklen und grauen Tönen arbeitet, sondern mir eine farbenfrohe und verspielte Welt auf den Fernseher knallt und bei dem selbst die sonst so öden Menüs ein Augenschmaus sind! Auch die thematisch eng an der Popkultur-Thematik des Spieles gehaltenen Dungeons machen einen visuell stimmigen Gesamteindruck Cool: man durchläuft die Dungeons nicht nur einfach bis zum Boss, sondern muss auch diverse Rätsel lösen, die mitunter sogar ein bisschen knifflig sind.

Passend zum poppigen Artdesign gibt es natürlich, ganz getreu dem Idol-Thema, auch J-Pop auf die Ohren. Von der Musik bin ich aber leider etwas enttäuscht. J-Pop ist zwar nicht mein präferiertes Steckenpferd, macht mir aber dennoch Spaß. Und einige Stücke sind auch wirklich ganz gut gelungen, doch so richtig Klick hat es bei mir lange Zeit nicht gemacht. Sehr ungewohnt für einen von Nintendo vertrieben Titel ist außerdem die Entscheidung, das die Sprachausgabe nicht für die europäischen bzw. englischsprachigen Märkte angepasst wurde. So bleibt es beim (sehr guten) japanischen Originalton, welcher Englisch untertitelt ist.

Richtig begeistert hat mich außerdem die Integration des Wii U Gamepads. Innerhalb des Spieles gibt es ein Topic genanntes soziales Netzwerk, über welches die Charaktere mit Itsuki Kontakt halten. Das mag nach einem aufgezwungenen Element klingen, ist in Wahrheit aber mit dafür verantwortlich, das die Illusion der Welt so gut funktioniert. Desweiteren werden auf dem Gamepad Kampfstatistiken und die Maps der Dungeons angezeigt. Die sehr starke Nutzung des Gamepads hat aber zur Folge, das Off-TV Play nicht möglich ist.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
86
86
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Ich hatte im Vorfeld sehr hohe Erwartungen an Tokyo Mirage Sessions #FE gesetzt und wurde zu meiner eigenen Verwunderung nicht enttäuscht - und das, obwohl das fertige Spiel in eine ganz andere Richtung geht, als ich (und viele andere Fans) es im Vorfeld wohl erwartet hätten. Klar, der Fire Emblem Einschlag ist mehr als überschaubar und dürfte manche Anhänger von Nintendo´s Strategie-RPG Franchise enttäuschen. Das kann man Tokyo Mirage Sessions #FE selbst aber nicht zur Last legen, denn abgesehen von subjektiven und manch technischen Unzulänglichkeiten zeigt das Spiel kaum eine Schwäche und bietet ein in sich stimmiges und äußerst fröhlich gefärbtes Erlebnis der Extraklasse.

- Von  Adrian

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