The Town of Light REVIEW

Den wahren Horror schreibt oft das Leben selbst. Dies beweist jüngst das Adventure The Town of Light. Dieses lässt uns in die Rolle einer jungen Frau schlüpfen, die auf Spurensuche in ihrer schmerzvollen Vergangenheit geht und sich nach und nach an die traumatischen Erfahrungen in einer psychiatrischen Klinik zurückerinnert

 

Schmerzvolle Erinnerungen

Unweit von Florenz liegt noch heute – wenn auch in Ruinen – das Ospedale Psichiatrico di Volterra, eine zum Ende des 19. Jahrhundert eröffnete psychiatrische Klinik die im Jahre 1978 endgültig geschlossen wurde. The Town of Light erzählt von diesem Ort und dem dort geschehenen Schrecken, wobei sich die Macher des italienischen Indie-Studios LKA.it auf zahlreiche Dokumente und Eindrücke ehemaliger Patienten und Mitarbeiter gestützt haben. Der gewillte Spieler schlüpft in die Rolle der jungen Renée, einer ehemaligen Patientin, die an den Ort des Schreckens zurückkehrt und versucht sich an vergangene Erlebnisse zu erinnern.

Renée selbst gab es zwar nie, allerdings steht ihre Rolle stellvertretend für viele andere Frauen, die in Volterra ein Martyrium durchlebt haben. Trotz einiger dramaturgischer Kniffe bei der Inszenierung ist The Town of Light ein überwiegend ruhiges Spiel ohne Einsatz übertriebener Schockeffekte. Der wahre, von Menschen geschaffene Horror kristallisiert sich nach und nach heraus. Je tiefer wir in die immer weiter verfallende Klinik eindringen, desto mehr Erinnerungen kommen zu Renée zurück. Erinnerungen von physischen und sexuellen Missbrauch, von Momenten, an denen das junge Mädchen an ein Bett fixiert oder mit Elektroschocktherapie behandelt wurde, in denen es unsagbar gequält und jeglicher menschlicher Würde beraubt wurde. Das ist zuweilen so unbequem, so schmerzhaft in Szene gesetzt, das ich den Controller aus der Hand legen musste.

The Town of Light will kein nebensächlicher Zeitvertreib sein, sondern aufklären und veranschaulicht auf drastische Weise den realen, von Menschen geschaffenen Horror, den es so nicht nur in Volterra, sondern auch anderen Einrichtungen dieser Art gab und – auch das wird einem bewusst gemacht – teilweise noch immer gibt. Das macht das Spiel mit seinen vielen Texten und den immer wieder eingeworfenen Zwischensequenzen – die zumeist in einem sehr ansprechenden Zeichenstil gehalten sind – auch sehr gut. Nahbar wird die Geschichte aber vor allem durch die sehr gute und einfühlsame Leistung der deutschen Sprecherin von Renée. Wer will, darf übrigens auch zur italienischen Originaltonspur und einigen anderen Sprachen (Englisch, Französisch etc.) greifen.

 

Adventure ohne viel Interaktion

The Town of Light ist ein Adventure, in dem es aus spielerischer Sicht nicht viel zu tun gibt. Diese gemeinhin und mittlerweile gerne etwas spöttisch als Walking-Simulator bezeichneten Titel legen den Fokus auf die Inszenierung, das Lesen von Dokumenten, Briefen und anderen Texten, das Eintauchen in die erzählte Geschichte. The Town of Light besitzt zwar einige interaktive Mechaniken, bei denen ihr etwa mit einem gefundenen Objekt am richtigen Ort interagieren müsst oder aus verschiedenen Antwortmöglichkeiten wählen müsst, was den Verlauf der Geschichte minimal beeinflusst. Im Fokus steht aber definitiv das narrative Erlebnis, welches sich in den rund 3-4 Stunden Spielzeit ausbreitet.

Kommt ihr an einer speziellen Stelle nicht weiter, so gibt Renée auf Tastendruck einen Hinweis darauf, was aktuell zu tun ist. Die wenigen Rätsel gestalten sich aber meist logisch und aus der Situation heraus. Die Entwickler haben bewusst Stolpersteine vermieden, um das Pacing nicht mit unnötiger Spielzeitstreckung zu unterbrechen, wodurch das Gesamterlebnis rund wirkt.

 

Technisch unbefriedigend

Die größte Schwäche von The Town of Light ist die altbackene Grafik. So unverbraucht das toskanische Setting wirkt, so stimmungsvoll die gezeichneten Zwischensequenzen auch sind, so schwach ist die eigentliche Spielgrafik. Die Texturen sind zuweilen sehr matschig, die Darstellung von anderen Charakteren wirkt zuweilen bizarr, vor allem in den spielbaren schwarz/weiß Rückblenden. Auch bin ich in meinem Spieldurchlauf auf den ein oder anderen Bug gestoßen. Als ich beispielsweise beim gerade begonnenen Spiel ins Optionsmenü gegangen bin, um die Sprache umzustellen, wurde die Helligkeit plötzlich nach oben gedreht, was mich zum Neuladen zwang.

Die Performance der nun veröffentlichten PlayStation 4 Fassung (für Xbox One gibt es das Spiel ebenfalls) ist weitestgehend gut, mit gelegentlichen Rucklern, die aber nicht weiter stören. Ohne die bereits im letzten Jahr veröffentlichte PC-Fassung gespielt zu haben, würde ich daher fast schon zu dieser raten. Wer zusätzlich noch eine entsprechende Brille besitzt, darf Town of Light auf dem PC sogar in Virtual Reality spielen.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
73
73
-
Multiplayer

FAZIT

The Town of Light hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. In visueller Hinsicht enttäuscht das Spiel in der mir vorliegenden Version für die PlayStation 4. Die Texturen sind oft matschig und die Visualisierung menschlicher Charaktere wirkt zuweilen grotesk, außerdem ist die Performance nicht immer ganz sauber. Allerdings gibt es visuelle Ausreißer nach oben, vor allem die gezeichneten Zwischensequenzen sind stimmig und das Setting ansprechend und unverbraucht. Die große Stärke liegt letztlich in dem Kernanliegen, nämlich in der Veranschaulichung des Schreckens, den unzählige Menschen in Volterra – und nicht nur dort – erleben mussten. Manche Szenen haben mich so heftig getroffen, dass ich den Controller für eine Weile aus der Hand legen und erst einmal durchatmen musste. Und eben dieses unbequeme Gefühl ist es schließlich auch, welches die Macher erzeugen wollten.

- Von  Adrian

Playstation 4
Xbox One
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