The Silver Case REVIEW

Mit Titeln wie Killer 7 und No More Heroes hat sich Goichi Suda – den meisten sicherlich besser unter seinem Pseudonym Suda 51 bekannt – den Ruf als einer der kreativsten Köpfe der japanischen Spielebranche erarbeitet. Bevor er sich Mitte der 2000er auch außerhalb seines Heimatlandes allmählich einen Namen gemacht hat, war er einheimischen Spielern bereits als Kopf hinter diversen Spielen der Firma Human Entertainment bekannt. Dort gewährte man ihm aber nicht die künstlerische Freiheit, die Suda gerne haben wollte, was schließlich in der Gründung des bis heute bestehenden Studios Grasshopper Manufacture mündete. Das erste Projekt des Entwicklers, The Silver Case, erschien kurz nach der Firmengründung im Jahre 1999 für die PlayStation, blieb aber leider nur in Japan. Bis jetzt! Denn gemeinsam mit NIS America wurde die Visual Novel nicht nur restauriert, sondern zum ersten Mal auch lokalisiert. Ob sich diese Arbeit gelohnt hat?

Eine Geschichte, zwei Perspektiven

Die Geschichte von The Silver Case wird aus zwei Perspektiven erzählt. Die verschiedenen Story-Pfade unterscheiden sich auch spielerisch, die starke Visual Novel Komponente ist aber in beiden Strängen vorhanden.

The Silver Case ist eine in mehrere Kapiteln unterteilte Murder Mystery, die uns in ein fiktives Japan des Jahres 1999 befördert. In dem lediglich als 24 Districts bezeichneten Handlungsort geschehen eine Reihe bizarrer Morde, welche allesamt dem Serienmörder Kamui Uehara zugeschrieben werden. Dieser sollte aber eigentlich schon seit mehreren Jahren tot sein, was die aktuellen Geschehnisse nur noch seltsamer macht und die Polizei vor ein Rätsel stellt.

Das Mysterium um Uehara und die merkwürdigen Zwischenfälle gilt es fortan aufzuklären. Die Handlung wird in mehreren in sich abgeschlossenen Kapiteln und aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Die beiden Storystränge unterteilen sich dabei in Transmitter und Placebo genannte Szenarien und können aus einem sehr stylish in Szene gesetzten Menü frei angewählt werden. In Transmitter schlüpfen wir in die Rolle eines Ermittlers, der sich der örtlichen Polizei anschließt, nachdem er von Uehara beinahe getötet wurde.

In Placebo erleben wir die Geschichte hingegen aus der Sicht des Reporters Tokio Morishima. Hier wird die Story von einem anderen Blickwinkel aufgedröselt, was vor allem im späteren Spielverlauf eine willkommene Herangehensweise ist. So gut die Handlung und Figuren nämlich auch geschrieben sind, so sehr lässt Suda in Transmitter bereits seinen Hang zu verkopften Handlungen und einen sich nicht immer erschließenden Symbolismus durchscheinen. Da wirkt die weitaus verständlichere Narration von Placebo (von Masahi Ooka und Sako Kato geschrieben) sehr viel geerdeter und löst diverse Lücken, die Suda, wenngleich bewusst, offen gelassen hat.

Eine Geschichte, zwei Mechaniken

Der Adventure-Part ist rudimentär und hält nicht mit allzu komplizierten Rätseln auf.

Das Spielen beider Story-Pfade ist also essenziell, um die gesamte Tragweite und Bedeutung von The Silver Case verstehen zu können. Die unterschiedliche Herangehensweise an die Erzählung der Story hat übrigens auch Auswirkungen auf das Gameplay. In der Rolle als Ermittler (den Namen unseres Alter Egos dürfen wir zu Spielstart selbst wählen) müssen wir typische Polizeiarbeit erledigen und unter anderem Zeugen befragen, kleinere Rätsel lösen und Tatorte absuchen. Dieser Adventure-Part erfolgt aus der Ich-Perspektive, lässt allerdings nicht sonderlich viele Freiheiten zu, da man sich nur auf vorgegebenen und sehr engen Pfaden bewegen darf. Die wenigen Stellen, an denen man in den ohnehin nicht sonderlich groß gestalteten Arealen interagieren kann, werden durch einen schwebenden Stern angezeigt.

Das Gameplay an sich gestaltet sich nicht sonderlich kompliziert. Bei den selten eingestreuten Rätseln muss man zwar etwas nachdenken, allzu lange werdet ihr aber wohl kaum vor einer Aufgabe grübeln. Auch Momente, in denen man Item X an Stelle Y benutzen muss, sind rar gesät und erklären sich von selbst. Nicht so wirklich selbst erklärend ist hingegen die Steuerung und das zunächst vertrackt wirkende User Interface.

Abseits dieser kurzen Adventure-Abschnitte spielt sich Transmitter wie eine klassische Visual Novel, in der man den Großteil die Spielzeit über Texte um Texte liest. Leider gewährt Suda dem Protagonisten kein wirkliches Profil. Weder bekommt man einen wirklichen Einblick in das Seelenleben des Ermittlers, noch darf man in Dialogen mit verschiedenen Antwortmöglichkeiten eine bestimmte Richtung einschlagen.

Dieses Problem hat Placebo nicht. Der Part um den freien Journalisten Tokio Morishima spart sich zwar gänzlich alle Adventure-Mechaniken und lässt mir ebenfalls nicht die Möglichkeit in Gesprächen aus verschiedenen Optionen zu wählen. Dafür habe ich hier aber das Gefühl einen echten Charakter zu begleiten, der Einsicht in sein Denken gewährt und sich im Laufe der Handlung weiterentwickelt.

Dennoch ist die Geschichte und die Charaktere die große Stärke von The Silver Case und der maßgebliche Faktor, der über mechanische Schwächen hinwegblicken lässt. Die von wahren Verbrechen inspirierte Handlung versteht es nach dem eher schwachen Prolog zunehmend in Bann zu ziehen und mit interessanten Twists stetig aufs Neue zu überraschen. Interessant ist das Debüt von Grasshopper Manufacture vor allem auch deshalb, weil es an spätere Werke von Suda 51 anschließt und bereits diverse Stilmittel und Ideen vorwegnimmt.

Startprobleme

Der visuelle Stil ist zunächst gewöhnungsbedürftig, passt aber wunderbar zur bizarr-morbiden Grundstimmung von The Silver Case.

Der sehr düstere, teils geradezu bizarre Grundtenor der Geschichte schlägt sich vollends auf die visuelle Präsentation von The Silver Case nieder. Suda und sein damals gerade einmal Fünf-Mann starkes Team spielen mit verschiedensten visuellen Stilen. Die Visual Novel Parts werden in der Regel mit eigenwillig gezeichneten Charakter-Standbildern und einem wilden Mix aus Anime- und Live Action Filmschnipseln erzählt, während der Adventure-Abschnitt von Transmitter in sehr einfacher Polygon-Grafik dargestellt wird.

Das mag sehr gewöhnungsbedürftig sein, trägt gleichzeitig aber wunderbar zur sehr eigenwilligen Stimmung des Spieles bei. Diese wird durch die mal treibende, mal bedächtig orchestrierte, mal gespenstisch verstörende Musik von Masafumi Takada (u.a. auch für die Musik von Danganronpa verantwortlich) passend untermauert und entfaltet eine wunderbar morbide Grundstimmung.

Leider wurde mir der Spielstart durch einen technischen Fehler zunächst ziemlich verhagelt. Aus unerklärlicher Gründen fehlten nämlich komplette Grafiken, die das Spielen quasi unmöglich gemacht haben. Auch eine Neuinstallation und kompletter Neustart des Spieles halfen nicht weiter. Erst nachdem ich die Systemsprache meiner PlayStation 4 auf Englisch umgestellt hatte, wurde das Problem gelöst.

Mehrwert auf Playstation 4?

Das Remaster hat ein paar optische und akustische Überarbeitungen erhalten, auch die Menüs wurden etwas angepasst. Exklusiv auf PS4 gibt es außerdem zwei zusätzliche Kapitel.

Die aktuell für PlayStation 4 veröffentlichte Remastered-Fassung von The Silver Case ist nahezu identisch mit dem letztjährigen PC-Release der Neuauflage. Die Auflösung wurde hochgeschraubt, die Qualität von Sound und Musik verbessert und von keinem geringeren als Akira Yamaoka neu abgemischt. Außerdem gibt es diverse Optionen, die es euch etwa erlauben das Spiel mit klassischem User Interface zu spielen oder das Intro in HD oder im Original zu sehen.

Exklusiv für die PlayStation 4 Fassung gibt es zwei vollkommen neue Kapitel namens „Yami“ und „Whiteout Prologue“. Diese wurden gemeinsam von Suda und Ooka geschrieben. Die nach den Ereignissen von The Silver Case spielenden Kapitel runden das Gesamtbild stimmig ab und verknüpfen das Spiel mit der Fortsetzung Ward 25. Hinsichtlich des Gameplays ändert sich aber nichts.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
79
79
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

The Silver Case ist ein sehr spezielles Erlebnis. Man muss schon eine sehr große Affinität für Retro-Spiele oder Suda 51 (bestenfalls für beides) haben, um über die technischen und spielerischen Unzulänglichkeiten hinwegsehen zu können. Wer das kann und außerdem ein Faible für makabere Geschichten im Stile von Twin Peaks und Co. hat, der ist beim Debüt von Grasshopper Manufacture aber an der richtigen Adresse. Nachdem ich mich erst einmal mit den eigenwilligen Mechaniken und der nicht immer ansprechenden Optik abgefunden hatte, konnte mich die zunehmend bizarrer werdende Geschichte nämlich vollends in ihren Bann ziehen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, warum The Silver Case in Japan den Status eines Klassikers besitzt und sich viele einheimische Fans noch einmal ein solches Spiel von Suda 51 wünschen würden. Und wer weiß: vielleicht bringt das Remaster von The Silver Case ja tatsächlich die nötige Aufmerksamkeit und Erfolg, um einen Nachfolger zu rechtfertigen.

- Von  Adrian

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