The Book of Unwritten Tales REVIEW

Nachdem das deutsche Entwicklerstudio King Art jahrelang nur an irgendwelchen Browserspielchen werkelte, staunte man nicht schlecht, als die Bremer am 02.04.2009 einen waschechten Überraschungshit des Point & Click-Adventures aus dem Hut zauberten (über die zuvor veröffentlichte gammlige Nintendo DS-Filmumsetzung zu Tintenherz breiten wir mal den Mantel des Schweigens). Die Rede ist natürlich von The Book of Unwritten Tales, welches im Genre schon längst Kultstatus erlangt hat und bereits ein Prequel und eine Fortsetzung nach sich gezogen hat. Das Spiel ist eine herrliche Parodie auf alle möglichen Fantasy-Franchises und -Klischees. Egal ob Herr der Ringe oder World of Warcraft – alle müssen sie ihren Kopf hinhalten, damit der Spieler herzhaft lachen kann. Doch was dieses Adventure sonst noch zu bieten hat, wollen wir in folgendem Review ermitteln.

 

Die Jagd nach dem ominösen Artefakt

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Seit Jahren schon herrscht Krieg zwischen den beiden verfeindeten Parteien der Allianz und der finsteren Streitmacht der dämonischen Erzhexe Mortroga. Beide Seiten haben schon zahlreiche Verluste eingesteckt, doch ein Ende des Krieges ist einfach nicht in Sicht. In dieser aussichtslosen Situation gelangt der Allianz-Treue Gremlin-Archäologe Mortimer MacGuffin durch Zufall in den Besitz eines alten Buches, welches, unter anderem, über die Existenz und den Aufenthaltsort eines ominösen Artefakts aufklärt. Dieses Artefakt soll mächtig genug sein, um den Krieg endgültig herumzureißen. Es sollte also niemanden verwundern, dass Mortrogas fieser, krötenartiger Sohn plötzlich bei MacGuffin auf der Matte steht, um das Buch einzukassieren. Da sich MacGuffin weigert die Schwarte herauszurücken, wird er gefangengenommen und verschleppt.

Die Waldelfen-Prinzessin Ivodora Eleonora Clarissa (oder einfach nur Ivo) beobachtet das Verbrechen und beschließt den alten Gremlin zu Hilfe zu eilen. Bei dieser Rettungsaktion erzielt sie jedoch nur einen Teilerfolg: MacGuffins Käfig stürzt im Weißkamm-Gebirge ab, wo er Kontakt mit dem naiven, jugendlichen Gnom Wilbur Wetterquarz aufnimmt und diesen einen magischen Ring in die Hände drückt, bevor er erneut verschleppt wird. Wilbur soll dieses Kleinod bei dem Menschen-Erzmagier Alastair in der Stadt Seefels abliefern. Ivo hingegen soll das geheimnisvolle Buch aus MacGuffins Haus bergen und ebenfalls den Botengang zum Erzmagier absolvieren. Freilich laufen sich Wilbur und Ivo in Seefels über den Weg und schließen sich zusammen. Letzter im Bunde ist der zwielichtige Lutftschiff-Kapitän Nathaniel „Nate“ Bonnet, welcher jedoch zusammen mit seinen Anhängsel, dem komischen „Vieh“, von der orkischen Kopfgeldjägerin Ma’Zaz gefangengehalten wird. Wird es diesen vier Abenteurern gelingen das ominöse Artefakt zu bergen und der Allianz zum Sieg zu verhelfen?

Während die eigentliche Handlung reichlich gekünstelt wirkt und einem daher eher am Popo vorbei geht, glänzt das Spiel dafür durch den herrlichen parodistischen Humor und liebenswerte Charaktere. Wilbur der Gnom hat mich mit seiner Naivität und Weltfremdheit stark an so manchen Hauptcharakter eines JRPG’s erinnert – nur mit dem Unterschied das Wilbur liebenswürdig statt nervig ist. Ich finde es auch sehr schön gemacht, wie sich die Charaktere während des Abenteuers weiterentwickeln. Wilbur träumt anfangs davon Magier zu werden und bringt es dann auch immerhin zum offiziellen Diplommagier. Nate der Schurke lernt was es bedeutet sich für andere einzusetzen und stuft sich sogar zum Level 98 Schmied auf, um seinen Freunden zu helfen. Und die Elfe Ivo ist … Naja, sie war vergleichsweise langweilig. Witzig ist dafür das skurrile Vieh. Nates Anhängsel über das man wohl mehr im Prequel erfährt, aber auch schon in diesem Teil steuern darf.

Als Fan von parodistischen Humor ist dieses Spiel eine wahre Fundgrube genialer Einfälle – vor allem wenn man Ahnung von Rollenspielen, entsprechender Computergames und Fantasy im allgemeinen hat. Der Knaller war wohl der RPG-Automat im zweiten Kapitel, was hab ich gelacht als sich herausstellte, dass die gewöhnliche Bürger unserer Welt „spielen“. Von wegen: „Vorsicht! Da kommt eine Politesse! Dahinter könnte sich eine neue Questreihe verbergen!“:D Oder Nate im Minenabschnitt: Dargestellt in Iso- bzw. Vogelperspektive mit improvisierten Fog of War! Zu geil! Wer auf diese Form des Humors abfährt und eine Neigung zur Fantasy- und RPG-Thematik mitbringt, für den ist The Book of Unwritten Tales allein schon deswegen ein Pflichtkauf!

 

Einsteigerfreundlich, umfangreich und humorvoll

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Bei The Book of Unwritten Tales handelt es sich um ein typisches, um nicht zu sagen generisches Point & Click-Adventure. Die Spielwelt setzt sich aus Renderscreens zusammen, in denen es darum geht Gegenstände einzusammeln, diese gegebenenfalls untereinander zu kombinieren und an geeigneter Stelle einzusetzen, um diverse Problemstellungen zu lösen. Darüber hinaus wird auch regelmäßig mit NPCs palavert, um im Spiel voranzuschreiten. Um nervige Suchereien nach Gegenständen zu unterbinden, hat man freilich eine Hotspotanzeige integriert und die Steuerung arbeitet nach altbewährten Genrekonventionen. Per Doppelklick auf Ein- und Ausgänge kann man den Übergang zwischen den einzelnen Screens beschleunigen, was aber auch nötig ist, da die Charaktere leider nur sehr langsam durch die Screens watscheln. In Kombination mit einer fehlenden Rennfunktion ist dies das größte Manko im Spiel, aber glücklicherweise kein Kriterium, welches dem Spielspaß ernsthaften Schaden zufügt.

Der Schwierigkeitsgrad der Inventar- und Hotspoträtsel hält sich übrigens recht stark in Grenzen. Das gilt selbst dann, wenn man mal zwei oder drei der Charaktere separat in einem Gebiet spielt und Gegenstände unter den Spielfiguren tauschen muss. Wenn man mal hängen bleibt, dann liegt das meistens daran, dass man versäumt hat noch mal mit den ortsansässigen NPCs zu reden. Hat man diese Regel verinnerlicht, sollte es keine großen Probleme mehr geben. Lästiges Trial & Error aufgrund unlogischer Rätselkonstruktionen sind in diesem Spiel jedenfalls definitiv nicht zu befürchten. Was für viele ein großer Vorteil ist, kann für manche freilich auch einen Nachteil darstellen. Ich persönlich werte den freundlichen Schwierigkeitsgrad jedoch als großes Plus. The Book of Unwritten Tales ist ein Adventure, welches man ohne Komplettlösung und schlaflose Nächte gewinnen kann – so mag ich es!

Abseits der klassischen Inventarrätsel und der Dialoge, gibt es aber nicht allzu viel Abwechslung in diesem Spiel. Es gibt vielleicht eins, zwei simple Apparaturrätsel auf Basis von Hieroglyphen und zwei Minigames um das Spiel etwas aufzulockern, aber das war es auch schon. Die beiden Minigames umfassen das Brauen eines Zaubertranks, wo es darum geht das Rezept penibel einzuhalten, sowie ein eher nerviges kleines Rhythmus-Minispielchen á la Dance Dance Revolution. Letzteres ist aber dankbarerweise wirklich ziemlich kurz gehalten. Trotz des Mangels an Code- und Symbolrätseln, Hebelmechaniken und Minigames wirkt das Spiel aber nie langweilig – im Gegenteil! Man möchte immer wissen welche schrägen Anspielungen, Ideen und Parodien der nächste Screen mit sich bringt. In Anbetracht dessen, dass wir es mit einem überraschend umfangreichen Adventure mit ca. 15 Stunden Spielzeit zu tun haben, wirkt diese Tatsache umso beeindruckender!

 

Grafik und Sound

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Ein großer Vorteil von The Book of Unwritten Tales ist die schicke Grafik in altbewährten 2.5D-Stil. Die Renderbilder sind mit die detailverliebtesten und schönsten die ich im Genre gesehen habe und selbst die 3D-Modelle der Charaktere sehen wesentlich besser aus als die in anderen Adventures. King Art haben sich auch nicht gescheut ein paar brauchbare Animationen für die Charaktermodelle zu erstellen, so dass das Geschehen weit weniger hölzern wirkt, als man es von vielen Konkurrenzprodukten gewohnt ist. Und auch auf größeren Monitoren sieht das Spiel, trotz seines Alters, noch sehr gut aus. Das was fehlt sind jedoch ein paar beeindruckende Rendersequenzen. Es gibt zwar zwei Sequenzen (fürs Intro und Outro), doch können diese nicht vom Hocker reißen, auch wenn sie ihren Job erledigen.

Auch der von Benny Oschmann komponierte Soundtrack weiß zu gefallen. Allerdings klingt dieser nicht immer wie eine Parodie auf einen typischen Fantasy-Soundtrack, sondern wirkt stattdessen oftmals wie ein völlig ernstgemeinter Soundtrack zu einem Spiel mit phantastischen Setting. Ich denke hier wurde ein guter Kompromiss geschlossen, der beide Aspekte gut einfängt und obendrein schön anzuhören ist.
Auch an der deutschen Sprachausgabe gibt es nichts zu kritisieren. Sämtliche Sprecher leisten einen tollen Job die Persönlichkeiten ihrer Charaktere einzufangen. Obendrein hat sich King Art nicht lumpen lassen professionelle Sprecher aus der Filmsynchronisations-Branche zu engagieren. Dies hebt die Qualität der Präsentation freilich ordentlich an.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
90
90
Super
-
Multiplayer

FAZIT

The Book of Unwritten Tales gilt zurecht als eines der Top-Adventures! Grundsolides Point & Click-Gameplay gepaart mit einem angenehmen Schwierigkeitsgrad, herrlichen parodistischen Humor, liebevollen Charakteren und einer tollen audiovisuellen Präsentation sind die Grundpfeiler auf denen dieses Spiel mühelos bestehen kann. Sicherlich wird es einige Nörgler geben, die mit dem Humor nichts anfangen können, oder denen der Schwierigkeitsgrad zu niedrig angesetzt wurde, oder was auch immer. Für mich persönlich ist King Arts Adventure-Meisterstück jedoch das bislang schönste und unterhaltsamste Spiel seiner Art. Bitte mehr davon!

- Von  Volker

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