Spec Ops: The Line REVIEW

Videospiele, in denen das Thema Krieg als Aufhänger dient, gibt es viele. Trotz der schieren Masse an entsprechenden Titeln gibt es jedoch kaum nennenswerte Beispiele, die sich um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser zugegebenermaßen sehr schwierigen Thematik bemühen. Stattdessen wird das Bild von „Kriegsspielen“ Genre-übergreifend beinahe ausschließlich von plumper Patriotismus-Dudelei geprägt, in der kein Platz für eine kritische Auseinandersetzung bleibt. Ausgerechnet ein Spiel des kleinen deutschen Entwicklerstudios Yager Development wird in der Diskussion um die Existenz oder Nicht-Existenz des Anti-Kriegs-Spiels immer wieder genannt. Die Rede ist von dem 2012 veröffentlichten Spec Ops: The Line, ein Spiel dessen Titel und dessen erster, oberflächlicher Eindruck alles andere als darauf hindeutet, das hier tatsächlich mehr hinter der Fassade steckt, als man es von einem Call of Duty und Co. zu erwarten hat.

 

Der Horror, der Horror…

SpecOps

In Dubai erfahren Spieler den Horror des Krieges…

Ein hoch dekorierter Kolonel, welcher mitsamt seines Trupps nach einer brenzligen Mission jeglichen Kontakt zu seinen Vorgesetzten abbricht, offensichtlich durchdreht und hunderte Zivilisten inmitten eines unzulänglichen Gebietes gefangen hält und ganz nebenbei noch einen Kult um seine eigne Person spinnt. Das klingt sehr stark nach der Rahmenhandlung von Francis Ford Copplas Apocalpyse Now und ist gleichzeitig auch das Grundgerüst von Spec Ops: The Line. Tatsächlich erzählt das erst zweite Spiel von Yager Development im Prinzip genau dieselbe Handlung, wie Coppolas Meilenstein von 1978 bzw. dessen Vorlage Das Herz der Finsternis. Charakter(züge), Handlungsverlauf und teilweise ganze Szenen übernimmt Spec Ops: The Line von seinem Vorbild, ohne die entsprechende Herkunft jemals zu leugnen. Der große Unterschied zwischen beiden Werken liegt lediglich darin, das Spec Ops: The Line nicht im schwülstigen Dschungel Vietnams spielt, sondern unter der sengenden Sonne Dubais.

Das Dubai im Spiel hat mit jenem Dubai, wie wir es kennen, natürlich nicht mehr allzu viel gemein. Innerhalb der Spielwelt wurde die wohlhabende Wüstenstadt nämlich durch ungewöhnlich starke Sandstürme beinahe vollständig unter Millionen und Abermillionen Sandkörnern begraben, sodass ein Leben in der Stadt mittlerweile kaum mehr möglich und nicht sehr viel mehr als eine Geisterstadt übrig geblieben ist. Aus jener Geisterstadt sollte Kolonel Konrad samt seiner Einheit die noch verbliebenen Überlebenden evakuieren. Die Entsendung der Truppen ist mittlerweile aber bereits über ein halbes Jahr her und anstatt das die Überlebenden in Sicherheit gebracht worden sind, gibt es Berichte, das der unter posttraumatischen Belastungsstörung leidende Kolonel Konrad den Verstand verloren hat und in der Wüstenstadt macht, was er will. In genau dieses Szenario tritt schließlich ein dreiköpfiges Delta Force Team, das – angeführt von Protagonist Captain Walker – den Verbleib von Konrad, dessen Männern und den Zivilisten aufklären soll…

Nun kann man sich denken das dieser Aufklärungsauftrag alles andere als ruhig abläuft, denn kaum macht der Spieler seinen ersten Schritt vor den ehemaligen Toren Dubais, da wird er auch schon unter Beschuss genommen. Dabei ist die Situation zunächst sehr unübersichtlich, denn nicht nur wird das Team des Spielers von Aufständischen angegriffen, auch stehen Walker und seinen zwei Begleitern schon sehr bald Soldaten in der eigenen Uniform gegenüber. Was genau in Dubai geschehen ist wird im Verlauf der ca. 7-8 stündigen Kampagne deutlich. Die bereits erwähnten Parallelen zu Apocalypse Now werden dabei mal weniger deutlich, mal sehr prägnant gezogen, was aber nicht heißen soll, das Spec Ops: The Line einfach nur ein lahmer Videospiel-Abklatsch von Coppolas Film ist. Stattdessen sollte man das Spiel eher als Neuinterpretation des Stoffes verstehen, welches als vorrangiges Ziel hat die Schrecken des Krieges zu veranschaulichen.

 

Der schmale Grat

spec ops

Die Entwickler konfrontieren uns mit erschütternden Szenen, die unter die Haut gehen.

Ein solches Vorhaben ist für andere Medien wie Literatur und Film nichts wirklich besonderes, Videospiele hingegen tun es sich bis heute schwer ernste Thematiken entsprechend anzupacken, sodass nicht selten ein fader Beigeschmack bleibt. Dies gilt nicht nur für Videospiele mit Krieg-Setting. Und tatsächlich merkt man der Produktion von Yager an, das hier wirklich sehr viele Gedanken in einem würdigen Umgang mit der Thematik geflossen sind, denn Spec Ops: The Line ist alles andere als plumpes Patriotismus Entertainment, wie man es von anderer Seite her kennt. Den Schritt, den Yager Entertainment dabei geht ist ein ebenso bemerkenswerter, wie überraschender, denn nicht nur wird der Spieler im vorliegenden Titel mit den Gräueltaten der Gegnerseite(n) konfrontiert, auch wird er selbst in die Rolle des Täters geworfen.

Und als eben dieser dazu genötigt Dinge zu tun, die in anderen Spielen kaum ein Schulterzucken auslösen wurden, hier jedoch die eigenen Wertvorstellungen herausfordern. Die wohl prägnanteste und am häufigsten zitierte Szene des Spieles, in der es um den aktiven Einsatz von weißen Phosphor geht, ist ebenso eindringlich, wie Stimmungskippend. Denn spätestens nach dieser Sequenz wird einem bewusst, das Spec Ops: The Line bei den Spielern ein schlechtes Gefühl hinterlassen will, was von Lead Level Designer Jörg Friedrich in einem Interview nachträglich untermauert wurde. Alleine schon wie die besagte Szene aufgebaut und auch wie sie zu Ende gebracht wird, gleichzeitig wie es dem Spiel gelingt die drei Täter (also die vermeintlichen Helden des Spieles) und ihre Zerrissenheit anschaulich zu zeigen ist so ziemlich das eindringlichste, was man in dieser Hinsicht bisher von einem Kriegsspiel geboten bekommen hat.

Auch an anderen Stellen im Spiel versteht es Yager Entertainment geschickt gewisse Schalter zu betätigen, etwa bricht das Spiel komplett mit dem von anderen Spielen bedienten simplen Schema von Gut und Böse, ebenso wie mit klassischen Feindbildern und der Heldenrolle des vermeintlich „guten Soldaten“. Darüber hinaus gibt es mehrere Stellen, in denen der Spieler vor eine moralische Entscheidung gestellt wird und aus einem Pool möglicher Szenarien die für ihn angemessene Wahl treffen muss. Beinahe gegen Ende des Spieles steht man sich etwa plötzlich einer wütenden, aber unbewaffneten Menge Zivilisten entgegen, die Captain Walker mit Steinen bewirft, zurück schubst, beschimpft und partout nicht den Weg freimachen will.

Was tut man also? Schießt man in die Luft, in der Hoffnung das die Menge zurückschreckt, oder richtet man das Feuer auf die Menge selbst? Ganz bewusst spielt der Entwickler hier mit festgesetzten Handlungsweisen von Videospielern, denn ähnliche Situationen gab es auch schon in anderen Spielen. Der große Unterschied zu Konkurrenz-Titeln liegt aber in der eigentlichen Herangehensweise dieser Entscheidungsszenen, denn der Spieler bekommt nie direkt mitgeteilt, das er sich in einer solchen befindet. Wo in anderen Spielen an einer solchen Stelle ein Hinweis-Icon aufploppen würde, bleibt Spec Ops: The Line still und wartet auf die intuitive Entscheidung des Spielers.

Es bleibt festzuhalten, das Yager Entertainment etwas gelingt, was in dieser Form bisher keinen anderen Shooter mit Kriegshintergrund gelungen ist, nämlich die Schrecken des Krieges, die Schuld des Tötens und Kriegsverbrechen mit entsprechenden Ernst anzugehen und umzusetzen, wie es der Thematik angemessen ist. Allerdings weist auch das eigentlich sehr gute Gesamtkonstrukt von Handlung und thematischen Inhalt gewisse Schwächen auf, was in erster Linie mit der nicht immer stimmigen Regie, teilweise der Ausarbeitung der Charaktere und der Narration der Story zu tun hat. Zumindest die Narration ist sehr flüssig und geht angenehm ineinander über ohne irgendeinen stilistischen Bruch zu verzeichnen.

Schade nur, dass die Regie der Zwischensequenzen stellenweise holprig daherkommt und manche Szenen zu oft zu schnell beendet werden. Dies betrifft vor allem jene Szenen, in denen die drei Charaktere des Aufklärungsteams um Protagonist Walker in den Mittelpunkt gerückt werden, was ist beinahe jeder Zwischensequenz der Fall ist. Hier hätte Yager Entertainment seinen eigentlich sehr differenzierten Figuren etwas mehr Luft geben müssen, um sie wirklich als glaubhafte Figuren zu etablieren. Dies gelingt zwar auch so (zumindest stellenweise), allerdings springen die Emotionen und Einstellungen der drei Hauptcharaktere zu schnell hin und her, sodass das ganze ein wenig an seiner Glaubwürdigkeit einbüßt. Was Schade ist, denn welches Kriegsspiel bietet schon reflektierte Figuren, die über ihr handeln nachdenken und dieses sogar in Frage stellen?

 

08/15 Mechanik

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Spielerisch ist der Titel solide und funktioniert.

Und Spec Ops: The Line hat ein weiteres Problem, das dem Spiel nahezu überall die Höchstwertungen verwehrt hat: seine spielerische Mechanik. Diese ist nämlich schlichtweg zu gewöhnlich, spielt sich der Shooter doch wie beinahe jeder andere Third-Person-Shooter mit Deckungsmechanik auch. Rein spielerisch könnte man hier ebenso gut auch Uncharted oder Gears of War vor der Nase haben, große Unterschiede würde man kaum erkennen. Und hier liegt auch die eigentliche Krux, die ich mit dem Spiel habe, denn die Mischung aus wirklich gut umgesetzter Antikriegs-Thematik und dem sehr stark auf Action ausgelegten Gameplay passt irgendwie nicht so ganz zusammen. Denn schon früh wird der Spieler mit großen Gegnermengen konfrontiert, hat man das Spiel nach gut acht Stunden Spielzeit abgeschlossen dürfte sich die Zahl der getöteten Gegner beinahe in eine vierstellige Zahl hoch summieren. Ich erkenne schon an, das Yager Entertainment das sehr geradlinige Action-Gameplay als Kontrast benutzen will, allerdings bin ich dennoch der Meinung das eine stärker auf Taktik ausgelegtes Gameplay dem Spiel besser zu Gesicht stehen würde.

Trotz dieses für mich zentralen Kritikpunktes muss man Spec Ops: The Line aber lassen, das seine Shooter-Mechanik sehr gut funktioniert und ein flüssiges Spielerlebnis zutage befördert. Hier und da bietet das Spiel sogar einige interessante Aspekte, etwa erlaubt Yager Entertainment an gewissen Stellen eine Interaktion mit der Umgebung. Immer wieder gibt es nämlich Stellen, in denen man den Sand als taktisches Element nutzen kann. Diese Stellen, in denen man zumeist Fensterscheiben oder Ähnliches zerschießen muss, um eine Sandlawine ins Rollen zu bringen, sind allerdings recht begrenzt. Ebenfalls limitiert ist die Möglichkeit seinem Team Befehle zu erteilen.

Etwa kann man ein spezielles Ziel anvisieren lassen oder seine Team-Mitglieder dazu auffordern eine Blendgranate zu werfen. Im Endeffekt sind diese kleinen Einwürfe taktischer Elemente aber kaum mehr als eine Fußnote, denn letztlich wird der Spieler kaum dazu forciert, allzu taktisch vorzugehen. Zwar ist die Gegner-KI durchaus als souverän zu bezeichnen, beispielsweise nutzen diese nämlich sehr geschickt ihre Deckung und flankieren. Auch ist Spec Ops: The Line dahin gehend sehr authentisch, das nach drei oder vier guten Treffern Schluss ist. Allerdings bleibt das Spiel letztlich doch ein geradliniger Action-Shooter, der spielerisch viel zu selten herausfordert.

 

Solide Technik

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Spec Ops: The line ist kein technischer Höhepunkt, punktet aber mit einigen stimmigen Details.

Auch technisch erweist sich Spec Ops: The Line als nicht ganz rund. Als grafisches Vehikel wurde die bereits etwas betagte Unreal 3Engine genutzt, was dem Spiel zumindest einen plastischen Look verleiht. Das Leveldesign selbst ist einigermaßen linear, dafür aber auch klar strukturiert. Bei der Auswahl der Locations setzt Yager Entertainment auf eine gute Mischung aus Außen- und Innenarealen, sodass Abwechslung vorhanden ist. Mal spielt man eben auf den vollkommen von Sand eingenommenen Straßen der ehemals belebten Wüstenstadt, mal innerhalb von glitzernden Hotels und prunkvollen Hochhäusern, welche den ehemaligen Status Dubais erkennen lassen.

Wie bereits erwähnt, erlaubt es die Engine stellenweise mit der Umgebung zu interagieren, so kann man nicht nur Fensterscheiben zerschießen um von diesen aufgehaltene Sandmenge loszulassen, auch kann man teilweise Deckungen der Gegner unter Beschuss nehmen und zerstören. Allgemein macht auch der optische Stil des Spieles einen guten Eindruck, vor allem wird die trockene Hitze Dubais sehr anschaulich vermittelt. Die vorliegende PS3-Version hat allerdings mit dem ein oder anderen Stabilitätsproblem zu kämpfen, was sich seltener in Rucklern, häufiger aber in dem nachladen von Texturen äußert, wobei sich beides im Rahmen des erträglichen befindet und kaum ins Gewicht fällt.

Die Soundkulisse des Spieles erweist sich als positive Überraschung. Nicht nur ist die deutsche Sprachausgabe (eine englische Tonspur lässt sich ebenfalls zuschalten) wirklich gelungen, auch bietet das Spiel einen sehr gelungenen Soundtrack. Unter anderem werden Stücke von Jimi Hendrix, Giuseppe Verdi und Deep Purple eingespielt, was innerhalb der Handlung durchaus Sinn macht, bietet Spec Ops: The Line mit einem innerhalb der Erzählung wichtigen DJ doch eine weitere Analogie zu Apocalypse Now.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
81
79
Okay
76
Multiplayer

FAZIT

Auf den ersten und zweiten Blick wirkt Spec Ops: The Line wie jeder andere mittelmäßige Militär-Shooter von der Stange auch. Der Name selbst und auch der oberflächliche Look deuten nicht gerade auf ein Kleinod des Videospiels hin und auch die spielerische Mechanik unterscheidet sich kaum von der Konkurrenz. Allerdings bietet das Spiel inhaltlich einen wirklich anderen Ansatzpunkt, der trotz des eigentlich zu gewöhnlichen Gesamtpaketes doch einen Blick rechtfertigt. Denn das erklärte Ziel von Yager Entertainment, den Krieg als das darzustellen, was er ist, wird hier sehr nahe gekommen und ist im Bereich der Videospiele in dieser Form beinahe einmalig. Denn reflektierende und mit ihren getroffenen Entscheidungen hadernde Soldaten, die eben nicht als lupenreine Helden stilisiert und deren Handeln als notwendiges Übel dargestellt wird gab und gibt es in dieser Form (traurigerweise) bisher so gut wie gar nicht im Medium Videospiel. Man kann den Widerspruch zwischen auf Action getrimmtes Gameplay und moralischer Auseinandersetzung mit der Kriegs-Thematik sicherlich herausstellen, allerdings bleibt dennoch festzuhalten, das Spec Ops: The Line zumindest in seiner thematischen Herangehensweise sehr viel mehr geleistet hat, als ein Großteil seiner Genre-Konkurrenz.

- Von  Adrian

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