Root of Evil: The Tailor REVIEW
Das am 09. Dezember 2016 auf Steam veröffentlichte Root of Evil: The Tailor ist der Debut-Titel des vietnamesischen Indie-Entwicklers EastFog Studios. Laut hörensagen, soll es sich hierbei um einen Ein-Mann-Entwickler handeln, auch wenn auf der Website grundsätzlich von einem „we“ (wir) die Rede ist. Aber das ist auch nicht weiter wichtig. Root of Evil ist eines der zahlreichen Horror-Adventures, die es auf Steam zu kaufen gibt. Root of Evil gehört da mit seinen 6,99 Euro zu den günstigeren Titeln. Es sollte nicht lange dauern, ehe dem Kenner auffällt, dass das Spiel wohl auf der Erfolgswelle des 10 Monate zuvor veröffentlichten Überraschungshits „Layers of Fear“ mitschwimmen möchte. Während Layers of Fear jedoch ein sogenannter Walking Simulator mit minimalen Gameplay-Inhalt war, entpuppt sich Root of Evil als vollwertiges Adventure-Spiel. Ob das Grusel-Adventure was taugt oder nicht, soll folgendes Review aufzeigen.
Grusel-Krimi mit gelungenen Jump-Scares und mangelnden Selbstrespekt des Entwicklers
Man übernimmt die Rolle eines gewissen Mr. James, seines Zeichens Telepath, Psychologe und Exorzist. Man erfährt nicht, wer dieser Typ eigentlich ist und warum er den Auftrag angenommen hat ein gruseliges Haus zu erforschen, welches kürzlich von einer 20-jährigen Waise geerbt wurde. Das Mädel fürchtet sich vor der gruseligen Bruchbude, will aber dennoch wissen, was es mit dem vermeintlichen Selbstmord ihrer Eltern vor 20 Jahren auf sich hat. Also wird ein Exorzist vorgeschickt, der das Spukhaus näher unter die Lupe nehmen soll.
Im Haus angekommen nimmt Mr. James nach einiger Zeit auch tatsächlich telepathischen Kontakt mit dem verstorbenen Hausherrn, dem Ehemann einer Schneiderin, auf. Dieser schildert fortan Stück für Stück die Geschehnisse, welche letztendlich zu seinem Ableben geführt haben. Es sollte wohl kein allzu großer Spoiler sein, dass wir es hier keineswegs mit einem Selbstmord zu tun haben. Die Lage spitzt sich weiter zu, als eine gruselige Frau auftaucht, welche dem Exorzisten alles andere als freundlich gesonnen ist.
Auch wenn der Entwickler große Stücke auf die Handlung seines Spiels hält und auf seiner Website von einer „bedeutungsvollen, tief verwurzelten Storyline“ spricht, fällt das Endergebnis eher ernüchternd aus. Das was man hier letztendlich aufgetischt bekommt, ist nicht tiefgreifender als ein typischer ARD/ZDF-Krimi, welcher sich mit Verbrechen in gutbürgerlichen Kleinfamilien befasst. Und das ist jetzt eigentlich auch gar nicht mal negativ gemeint. Allerdings braucht man für so ne Story kein 7 Euro Horror-Adventure zu zocken, der Nachmittags-/Abend-Krimi im öffentlich-rechtlichen Fernsehen tut es auch. Die dortigen Ermittler haben sogar eine Persönlichkeit zu bieten, und sind nicht nur schwebende Kameras wie Mr. James, und Logiklöcher werden dort i.d.R. auch vermieden.
Besonders hochgestochen in diesem Zusammenhang finde ich übrigens die Anekdote zum Buddhismus, welche der Entwickler nach dem Ende darlegt. Peinlich wiederum ist seine Entschuldigung zuzüglich der Bitte, dass man angesichts etwaiger Fehler und Bugs nicht zu hart mit ihm ins Gericht gehen soll, da es sich ja um ein Ein-Mann-Projekt handelt, oder so ähnlich. Das ist das erste mal, dass ich so eine Entschuldigung vor Spielbeginn (und dann noch mal nach dem Abspann) gelesen habe. Ich denke an dieser Stelle muss man sich als Entwickler einfach seinen Stolz bewahren, um ernstgenommen zu werden. Im Endeffekt schadet man durch solch einem Text sogar dem Spieler, denn wie soll ich mich denn auf ein Grusel-Adventure einstimmen, wenn ich im Vorfeld so eine peinliche Erklärung vom Entwickler lesen muss?
Umso überraschender, dass das Spiel einige derbe Jump-Scares parat hält. Diese wurden teilweise echt hervorragend ins Spiel integriert, und selbst wenn man sich denkt, dass gleich etwas kommt und man sich innerlich darauf vorbereitet, wird man dann doch irgendwie kalt erwischt und zuckt übelst zusammen. Auch die allgemeine Atmosphäre des Spukhauses ist sehr gruselig und braucht sich keineswegs zu verstecken.
Der Entwickler bringt also durchaus eine Menge Talent mit sich. Sein Spiel hat es also trotz diverser Schwächen nicht nötig durch so einen komischen Entschuldigungs-Text heruntergezogen zu werden.
Endlich wieder ein Horror-Adventure mit handfesten Puzzles
Abgesehen von einigen Einstellungen wie der Auflösung, Textsprache oder der Sensitivität des Mauscursors bietet das Spiel keine spielrelevanten Optionen. Man kann also direkt loslegen. Man steuert Mr. James aus der Egoperspektive mittels WASD-Tasten und erkundet die Bude im grundsätzlich gemächlichen Schritttempo. Ein Form-wandelnder Mauscursor visualisiert Hotspots zum interagieren (hierfür linke Maustaste drücken). Und mehr gibt es hierzu auch gar nicht zu sagen, die Steuerung ist bewusst simpel gehalten.
Root of Evil entpuppt sich umgehend als extrem lineares Spiel. Das geht sogar so weit, dass es nicht gestattet ist den ersten Stock oder den Keller des Hauses zu erforschen. Das gesamte Spiel findet im Erdgeschoss statt. In der Regel ist man in einem bestimmten Segment des Hauses gefangen und muss entweder eins, zwei Rätsel lösen oder eine Script-Sequenz auslösen, damit sich eine Tür öffnet und man in das nächste Haussegment des Erdgeschosses vordringen darf. Da das Haus nicht übermäßig groß ist, führt dies leider dazu, dass man im Spielverlauf dieselben Flure und Räume mehrmals passiert, ehe nach ca. zweieinhalb Stunden Spielzeit schlussendlich die Endsequenz triggert. Bis dahin wird man aber mit gelungenen Rätseln (und Jump-Scares) konfrontiert, welche das Spiel gehörig aufwerten.
Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass man es hier nicht mit typischen Inventarrätseln zu tun hat, sondern mit Code-Rätseln und Puzzles. Wenn man mal einen Gegenstand erhält, ist eigentlich sofort klar, was man damit machen soll und mehr als einen Gegenstand wird man ohnehin nie mit sich führen.
Die Coderätsel und Mechanismen sind in der Regel immer gut zu lösen, da die Lösungshinweise zwar manchmal recht trickreich verborgen liegen, aber dafür auch nie übermäßig kryptisch nachzuvollziehen sind. Außerdem ist das jeweilige Haussegment immer recht übersichtlich gehalten, so dass ellenlange Sucherei nach Hinweisen entfällt. Im Endeffekt wirkt der Schwierigkeitsgrad von Roots of Evil genau richtig. Das Spiel wirkt nicht zu schwer und nicht zu leicht. Ein durchschnittlicher Adventure-Spieler sollte keineswegs Stunden an einer einzigen Aufgabe verzweifeln, dürfte aber so lange nachdenken und suchen müssen, dass Erfolgserlebnisse zu verspüren sind.
Eine Stolperfalle zu Beginn ist jedoch, dass man erst einmal nachvollziehen muss, wie das Spiel tickt. So begegnet man zum Beispiel bereits im zweiten Haussegment einigen Coderätseln/Puzzlemechanismen, die man zu diesem Zeitpunkt gar nicht lösen kann, da man noch keinen Zugriff auf die Lösungshinweise dieser Hürden bekommen hat. Das hatte mich anfangs recht verwirrt und ich musste erst einmal lernen, dass man die Rätselaufgaben in der richtigen Reihenfolge zu lösen hat. Im Klartext bedeutet das, dass man einfach mal versuchen sollte durch die nächste Tür zu gehen, wenn man für eine Aufgabe keinen Lösungsansatz findet. Man sollte sich nicht frustriert an einem Zahlenschloss oder dergleichen festbeißen. Nur Geduld, das Spiel gibt euch den Hinweis, wenn die Zeit reif ist, aber nicht früher. Und selbst wenn man die richtige Kombination kennt, so wird diese vom Spiel erst akzeptiert, wenn der richtige Zeitpunkt erreicht ist. Das habe ich extra noch mal in einem zweiten Spielanlauf ausprobiert.
Zu guter Letzt sind noch die Achievement-Symbole zu erwähnen. Im Haus sind insgesamt 18 Symbole versteckt (piktografische Zeichnungen an Wänden und einigen Objekten). Hat man eines gefunden, sollte man den Mauscursor für einige Sekunden draufhalten, damit sich das Symbol rot färbt und anschließend auflöst. Wirklich spielrelevant ist das jedoch nicht, hier geht’s wirklich nur darum Achievements einzusacken und dadurch die extrem kurze Spielzeit zumindest ein klein wenig zu strecken.
Grafik und Sound
In grafischer Hinsicht ist Root of Evil ein zweischneidiges Schwert. Das Spiel wurde mit der Unity-Engine erschaffen, weist aber dennoch unangenehm hohe Hardware-Anforderungen auf, welche jedoch nicht so recht nachzuvollziehen sind. Der allgemeine Grafikflair ähnelt Layers of Fear. Das Haus ist rustikal eingerichtet und es wird viel mit einer geschickten Beleuchtung gearbeitet. Die Qualität der Texturen und Grafik-Assets ist schwankend. Einige sehen gut aus, wie beispielsweise die Wandtapete oder die Statue im Eingangsbereich, andere wiederum wirken sehr billig, wie zum Beispiel das Geschirr in der Spüle oder der Sicherungskasten. Auffällig minderwertig sind jedoch in erster Linie die Charaktermodelle. Diese wirken, als ob sie aus einem PC-Spiel stammen, welches schon mindestens 15 Jahre auf dem Buckel hat. Das fügt der Gruselatmosphäre natürlich einigen Schaden zu. Es fällt eben schwer sich vor Spinnen zu fürchten, die aussehen wie Kinderspielzeug und sich bewegen wie Aufziehpuppen. Dann sind da noch kleinere Grafikfehler wie der Kamin, wo man sieht, wie durch die obere Steinabdeckung Rauch aufsteigt.
Aber ich will die Grafik auch nicht schlechter reden als sie ist. Für ein Ein-Mann-Projekt wurde hier schon gute Arbeit abgeliefert. Die Opulenz und den künstlerischen Anspruch eines Layers of Fear sollte man aber definitiv nicht erwarten.
Das was mich jedoch sehr genervt hat waren die lauten Ventilationsgeräusche meiner Grafikkarte, welche mir fast genauso viel Angst eingejagt haben wie die Jump-Scares (man will schließlich nicht, dass der Rechner abraucht). Hier haben sich die hohen Hardwareanforderungen deutlich bemerkbar gemacht. Das wäre auch völlig in Ordnung gewesen, wenn Root of Evil über eine waschechte AAA-Top-Grafik verfügen würde, was jedoch einfach nicht der Fall ist. Es ist eben ein Unity-Engine-Spiel, was man stellenweise auch deutlich sieht. Solch ein Spiel sollte auf einem Rechner, der weitaus hübschere Spiele ohne Probleme stemmen kann, keine schwitzende GraKa erzeugen. Da macht sich einfach eine schlechte Optimierung bemerkbar. Das ist schade, denn gerade die Adventure-Zielgruppe für solch ein Spiel verfügt nicht unbedingt über die stärksten Rechner.
Der Soundtrack bietet nur typische Spukmelodien, welche ihren Zweck erfüllen, jedoch nach Abschluss des Spiels sofort wieder aus dem Gedächtnis erblassen. Die Sprachausgabe, welche hauptsächlich aus den Schilderungen der Schneiderin und deren Ehemann besteht, wirken amateurhaft, aber bemüht genug, dass sie nicht störend oder peinlich wirken. Eine Glanzleistung sollte man selbstverständlich nicht erwarten. Was jedoch überzeugen kann, sind die Geräuscheffekte, wie zum Beispiel Streit- und Kampfgeräusche hinter verschlossener Tür, das Knistern des Kamins, das Tuten des Telefons. Dieser Aspekt der Akustik wirkt überraschend kompetent.