Mystic Quest (Game Boy) REVIEW

In seinem Entstehungsland Japan heißt dieser Final Fantasy-Spin-off „Seiken Densetsu – Final Fantasy Gaiden“ (dt. Legende des Heiligen Schwerts – Eine Final Fantasy Nebengeschichte)“, in den USA „Final Fantasy Adventure“ und bei uns nennt man es eben Mystic Quest. Dieses GB-Spiel ist ein gutes Beispiel für das stets wiederkehrende Phänomen Titelnamen diverser Medien für das Ausland umzubenennen. Das diese Praktik, langfristig gesehen, nur Verwirrung und Chaos stiftet, hat man scheinbar selbst heutzutage noch nicht kapiert, obwohl sich die Situation inzwischen gebessert hat. Der Sinn auf den populären Namen „Final Fantasy“ zu verzichten, lag ganz einfach daran, dass er Anno 1993 noch keine große Bedeutung in Europa vorzuweisen hatte. Inwiefern „Mystic Quest“ nun besser klingen soll, als „Final Fantasy Adventure“ weiß ich jedoch auch nicht, es ging vermutlich darum eine Verbindung zum grottigen SNES-RPG „Mystic Quest Legends“ aufzubauen, aber egal. Um die Namens-Verwirrung zu vervollständigen, mauserte sich „Seiken Densetsu“ recht bald zur eigenen Serie, die durch den zweiten Teil „Secret of Mana“ als „Mana-Serie“ bekannt werden würde. Inklusive der Remakes hat Seiken Densetsu inzwischen satte 13 Spiele vorzuweisen, also wird es mal Zeit einen näheren Blick auf den Game Boy-Erstling zu werfen!

Gut gegen Böse

Wenn der Oberschurke schon mit der wahnsinnig kreativen Bezeichnung „Dark Lord“ abgekanzelt wird, dann deutet dies nicht gerade auf eine sonderlich herausragende Story hin. Und tatsächlich wird bei Mystic Quest eine weitere Variante des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse in einer X-beliebigen Fantasywelt abgehandelt:
Zunächst verpasst man den männlichen und weiblichen Hauptcharakter einen Namen nach Wahl (Begrenzung auf vier Buchstaben) und startet anschließend das Spiel als versklavter Gladiator in der Arena des Dark Lords. Eines Tages erliegt unser Gladiatoren-Kumpel Willy den Wunden seines letzten Kampfes und äußert mit den letzten Atemzügen seinen letzten Wunsch: Wir sollen fliehen und einen Gemma-Ritter namens Bogard aufsuchen, um diesen mitzuteilen dass der Mana Baum in Gefahr ist. Laut einer Legende spendet dieser magische Baum denjenigen der ihn berührt grenzenlose Macht. Es versteht sich von selbst, dass Typen die als Dark Lord bezeichnet werden auf derartige Macht und damit verbundene Weltherrschaft abfahren. Dummerweise gibt es da aber noch ein kleines Problem. Der Zugangsschlüssel zum Hort des Mana Baums befindet sich in den Händen eines Mädchens. Also entsendet der Oberschurke seinen braven Speichellecker Julius, um die Kleine gefangenzunehmen. Unser Held beobachtet das konspirative Gespräch zwischen Julius und seinem Herrn und wird vom Dark Lord zur Strafe einen Wasserfall heruntergeworfen. Natürlich überlebt unser tapferer Recke den feigen Mordanschlag und stolpert recht bald einem hilflosen Mädchen über den Weg, welches das selbe Ziel wie wir verfolgt – Bogard zu finden. Und so begeben sich die Beiden auf eine abenteuerliche Reise, um den finsteren Dark Lord und seine Handlanger zu stoppen und die Welt zu retten.

Die altbackene Handlung ist natürlich durch das Erscheinungsdatum des Spiels zu rechtfertigen. In Japan erschien es bereits 1991 und für damalige Verhältnisse kann Mystic Quest sogar mit tragischen Ereignissen und der ein oder anderen kleineren Wendung überraschen. Wirklich gelungen ist jedoch der unerwartet gelungene deutsche Bildschirmtext, was natürlich in erster Linie daran liegt, dass er nicht durch Claude M. Moyse vergewaltigt wurde. Stattdessen zeigten Wolfgang Ebert und Susanne Pohlmann dem ollen Claude wie es richtig gemacht wird. Wenn man sich vor Augen hält, dass wir über ein altes GB-Modul von 1991-93 sprechen, kann die Story voll überzeugen!

Schnelle Fights vs. Mikromanagement

Die Überschrift spielt auf die beiden Kernspielelemente von Mystic Quest an. Selbstverständlich geht es in einem Action-RPG in erster Linie darum Feinde in Echtzeit zu beseitigen, was hier auch fabelhaft funktioniert! Mit dem Steuerkreuz steuern wir unseren Gladiator durch die umfangreiche Spielwelt, die aus der Vogelperspektive dargestellt wird und vertrimmen die Monster mit physischen Waffen und offensiven Zaubern. Waffen werden mit der A-Taste eingesetzt und weisen ein breites Spektrum auf, welches vom typischen Schwert über Peitschen bis hin zum wuchtigen Morgenstern reicht. Interessant ist, dass die Waffen auch einen weiteren Zweck erfüllen. So wird die Peitsche benötigt, um sich mittels Pfosten über lästige Hindernisse hinwegzuhangeln, während mit der Axt störende Bäume gefällt werden. Die B-Taste aktiviert Zauber und Items. Acht verschiedene Zaubersprüche erleichtern uns das Abenteuer und entfalten typische Wirkungsweisen wie Heilung, Feuerball oder Schutzschilde – das übliche eben. Die meisten dieser Funktionen können auch via Item aktiviert werden, allerdings ist das Inventar stark begrenzt und nicht jeder Händler bietet jeden Gegenstand feil. Die wichtigsten Items sind ohnehin Werkzeuge wie Spitzhacken und Schlüssel, mit denen man sich neue Durchgänge in den verzweigten Dungeons schaffen muss. Ein gewisses strategisches Vorgehen ist also durchaus angebracht um gut voranzukommen.

Aufgelevelt wird ganz klassisch mit Erfahrungspunkten für getötete Gegner. Nach einem Level-Up soll man seine Wahl treffen, welcher der vier Statistikwerte Kraft, Immun, Reife und Wille hochgestuft werden soll. Kraft erhöht den Angriffswert, Immun die Lebenspunkte und Verteidigungskraft, Reife die magischen Kräfte und Wille die Geschwindigkeit mit der sich der Energiebalken am unteren Bildschirmrand auflädt. Ist der Balken voll, wird beim Waffeneinsatz der Spezialangriff des entsprechenden Waffentyps eingesetzt. Allerdings fällt der Balken stets auf Null wenn der Angriffsbutton gedrückt wird. Erledigte Feinde hinterlassen natürlich auch Geldeinheiten und ab und an Schatztruhen, um seine Ausrüstung auf Vordermann zu halten.

Ein Aspekt, der Mystic Quest besonders hervorhebt, sind die Rätselelemente. Ich hab ja schon angedeutet, dass sich einige Passagen nur mit den entsprechenden Werkzeugen und Waffen überwinden lassen, darüber hinaus gibt es auch vereinzelte Schalterrätsel zu lösen und Informationen auszuwerten. Manche Gebiete und Dungeoneingänge liegen gut versteckt und können nur mithilfe der geschwätzigen Dorf- und Stadtbewohner aufgefunden werden. Gespräche mit NPC’s sind also absolut notwendig um voranzukommen! Ab und zu schließt sich uns auch mal ein NPC an, der sich entweder im Kampf beteiligt (wenn auch mit einer relativ bescheidenen K. I.) oder eine Sonderfähigkeit zur Verfügung stellt, die per „Frage“-Befehl im Menü aktiviert wird.

Leider ist dies auch der Übergang zum großen Schwachpunkt des Spiels – das Mikromanagement. Im Kern funktioniert dieses tadellos. Mit der Select-Taste erhält man Zugriff auf die Speicherbatterie (man darf fast überall speichern!), auf die eher unbrauchbare Kartenfunktion und das Statusmenü. Mit Start kommen wir ins Hauptmenü, in dem Items, Waffen/Rüstungen und Magie getrennt voneinander gelistet werden – sehr vorbildlich! Wo liegt nun also das Problem? Nun, ein Action-RPG sollte sich natürlich flott, unkompliziert und komfortabel spielen lassen, und genau am letzteren Punkt hapert es. Häufig gerät man in Situationen wo es erforderlich ist umzurüsten. Sei es nun ein anderer Waffentyp, um die Immunität von Feind XYZ zu überwinden, ein bestimmter Gegenstand, um die verschlossene Tür zu öffnen oder ein Zauber, um sich rechtzeitig zu heilen – diese Situation treten regelmäßig auf! Je weiter man vorankommt desto vielseitiger werden die Möglichkeiten und Anforderungen an den Spieler und desto häufiger muss man ins Menü schalten um diese Möglichkeiten und Anforderungen zu managen. Dummerweise wird dadurch das primäre Gameplay ausgebremst, welches auf schnelle, actionreiche Gefechte mit den zahlreichen Monstern der Spielwelt aufbaut. Irgendwann gehen einem die ständigen Mikromanagement-Unterbrechungen ziemlich auf den Geist und man wünscht sich schlicht und einfach mehrere Buttons für seinen Game Boy, auf die man die zahlreichen Aktionen verteilen könnte.

Aber keine Sorge. So lästig dieser Spielaspekt auch anmuten mag, er zerstört einem nicht den Spielspaß, sondern ist viel eher ein Indiz dafür, wie ungewöhnlich Komplex dieses Game Boy-Spiel ausgefallen ist! Abgesehen von Zelda IV gab es damals nichts vergleichbares, womit Mystic Quest sehr lange Zeit die RPG-Monopol-Stellung für Nintendos Tragbares System intus hatte. Auch heute noch wird dieses Spiel als einer der besten Game Boy-Titel überhaupt gefeiert – völlig zurecht wie ich finde!

Grafik, Sound und Präsentation

Grafisch sieht das Spiel recht gut aus. Die abwechslungsreichen und liebevoll animierten Charakter- und Monstersprites können jedenfalls voll überzeugen und legen darüber hinaus auch den Grundstein für das Monsterkompendium des Mana-Universums. Highlight hierbei sind natürlich die großen Sprites der Bossgegner. Auch die Landschaften und Dungeons wurden schön gestaltet. Die Reise führt durch klassische Wald- und Wiesengebiete über Sümpfe bis hin zu Wüsten- und Schneelandschaften. Die Dungeons hingegen wirken optisch manchmal etwas eintönig, sind dafür aber gut aufgebaut und werden im Verlauf des Spiels stets komplexer und verwinkelter. Leider muss ich an dieser Stelle auch sagen, dass Mystic Quest einen grafischen Vergleich mit Zelda IV, welches bei uns im selben Jahr erschien, nicht standhalten würde. Da merkt man schon einen gewissen Qualitätsunterschied, der sicherlich auf zwei zusätzliche Jahre Game Boy-Geschichte zurückzuführen ist (wir erinnern uns, dass Seiken Densetsu bereits 1991 erschien).

Wirklich hervorragend ist hingegen der Soundtrack ausgefallen, der passend zum Geschehen traurige, abenteuerliche oder bedrohliche Stücke präsentiert. Gelungene Geräuscheffekte für die zahlreichen Kämpfe runden den akustischen Aspekt weiter ab.

Letztendlich wird Mystic Quest wirklich hervorragend präsentiert! Neben der guten Grafik und den schönen OST überzeugt vor allem der vernünftige deutsche Bildschirmtext (was ja damals leider keine Selbstverständlichkeit war) und der intelligente Aufbau der Spielwelt. Erst wenn man sich die Weltkarte auf Google anschaut, merkt man, wie viel Engagement in den Aufbau eben dieser hineingeflossen sein muss!

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Spiel Bewertung
Singleplayer
90
90
Super
-
Multiplayer

FAZIT

Ob Squaresoft geahnt hat, dass sich ihr Final Fantasy-Ableger für den Game Boy zur eigenen RPG-Serie mausern würde? Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist Mystic Quest ein hervorragendes GB-Spiel, welches selbst heute noch sehr viel Spielspaß bereitet! Wer ein gescheites Action-RPG für seinen GB sucht, hat ohnehin keine andere Wahl, als dieses Modul (ich kenne zumindest keinen anderen Titel, der in diese Klassifizierung passt). Aber auch ohne seine Monopol-Stellung, wäre dieses Spiel Pflichtprogramm für jeden Action-Rollenspieler!

- Von  Volker

Mystic Quest (Game Boy) REVIEW

USK 0 PEGI 3

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