Fist of the North Star: Lost Paradise REVIEW

Rechnet man die verschiedenen Spin-Off mit ein, so gibt es mittlerweile zwölf Spiele, die sich zum Yakuza-Franchise zählen lassen. Mit so vielen Spielen hat das Team von Ryu ga Gotoku Studios natürlich unlängst eine gewisse Formel entwickelt, nach dem kommende Ableger – mehr oder weniger – aufgebaut sind. Doch lässt sich dieses Schema auch auf andere Lizenzen übertragen? Diese Frage lässt sich nun anhand von Fist of the North Star: Lost Paradise beantworten.

Mad Max in VOLLKOMMEN DURCHGEKNALLT!

Nach einem atomaren Krieg liegt die Welt in Schutt und Asche. Der einst blaue Planet hat sich in eine ausgetrocknete Wüste verwandelt, sämtliche Zivilisationen sind vernichtet, nur das Gesetz des Stärkeren zählt noch. Die wenigen, noch lebenden Menschen kämpfen täglich ums überleben. Doch nicht nur machen ihnen knappe Ressourcen zu schaffen, sondern auch marodierende Banden, die keinerlei Gnade kennen. Kenshiro, ein einsam umherziehender Krieger, hat s sich zur Aufgabe gemacht den Schwachen und Hilflosen zur Seite zu stehen. Er ist Meister des Hokuto Shinken, einer mächtigen Martial Arts, die nur wenige beherrschen. Kens Reise durch das Ödland hat aber noch einen anderen Grund, denn er ist auf der Suche nach Yuria, seiner großen Liebe, die als verschwunden gilt. In der Stadt Eden, einen von riesigen Mauern geschützten Ort, in welchem es tatsächlich Gesetze und eine nach Regeln lebende Gesellschaft gibt, wird Ken schließlich fündig, denn offenbar ist auch Yuria irgendwo in Eden. Doch wo?

Mit Fist of the North Star hat sich Ryu ga Gotoku Studio erstmals eine externe Lizenz geschnappt. Diese fußt maßgeblich auf den gleichnamigen Manga, welcher zwischen 1983 und 1988 erschienen ist und bereits diverse Umsetzungen in Form von Anime, Videospielen und einen Realfilm erfahren hat. Als westlicher Konsument dürfte man sich auf den ersten Blick vor allem an Mad Max erinnert fühlen und tatsächlich gibt es viele Anleihen (ein vertrocknetes Ödland, auf absurd aufgemotzten Fahrzeugen fahrende Banden etc.) an die Filme mit Mel Gibson in der Hauptrolle. Unterfüttert wird das Ganze mit einer gehörigen Prise 80er Jahre Manga Wahnsinn, Martial Arts und B-Movie Charme. Eine Mischung, die verdammt gut zu den Entwicklern von Yakuza passt.

Ich habe bisher keine allzu großen Berührungspunkte mit der Vorlage gehabt, entsprechend kann ich die Handlung von Lost Paradise nicht wirklich im Kontext der Vorlage einordnen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, denn auch ohne große Vorkenntnisse funktioniert die Geschichte des Spiels recht gut und ist bis zum Schluss unterhaltsam gestaltet. Man muss sich allerdings auf jede Menge Kitsch und Pathos einstellen, ruhige Zwischentöne sind eher nicht das Ding von Fist of the North Star.

Fäuste aus Stahl

Der komplette Wahnsinn entlädt sich aber erst, sobald man Ken selbst durch die zerstörte Spielwelt steuert. Die Handschrift der Entwickler ist schon ab der ersten Minute deutlich zu erkennen, komplette Spielsysteme und Mechaniken aus Yakuza finden sich in Fist of the North Star: Lost Paradise wieder. Das Grundgerüst bilden auch hier die Kämpfe, wobei der Kampfstil von Kenshiro etwas flotter, als der von Kazuma Kiryu und Co. ist. Mit schnellen Aktionen werden die Widersacher malträtiert, wirklich Schaden machen aber erst die verschiedenen Hokuto Shinken Techniken, mit denen spezielle Druckpunkte im Körper angegriffen werden. Das Ende vom Lied: Kens Gegner explodieren und mehr, als ein paar Fetzen Fleisch und jede Menge Blut, bleibt von ihnen nicht übrig.

Dadurch entspinnt sich ein wahnwitziges Gewaltfest, dessen Reiz sich aber auch recht schnell abnutzt. Denn die stets in speziellen Animationen inszenierten Spezialmanöver lassen sich nicht abbrechen, bei einem Kampf gegen fünf, sechs oder gerne auch mal mehr Gegner gleichzeitig, ziehen sich die Auseinandersetzungen daher letztlich nur in die Länge. Die Auswahl an Kampftechniken ist zunächst noch recht überschaubar, über einen in vier Punkte unterteilten Talentbaum werden nach und nach neue Fertigkeiten freigeschaltet. Hierunter fallen nicht nur neue Angriffe, sondern auch das Hochsetzen von Lebensenergie, Angriffsstärke und anderen Attributen.

Paradies mit Schönheitsfehlern

Massakriert Ken mal nicht die bösen Buben des Ödlands, so durchstreift man zu Fuß die Stadt Eden bzw. in einem Buggy die Wastelands vor den Stadtmauern. Leider kann Fist of the North Star: Lost Paradise bezüglich der Inszenierung der Spielwelt in keinster Weise mit Yakuza mithalten. Während Kamurocho eine sich lebendig anfühlende Spielwelt ist, die gerade in den Nachtstunden erstaunlich authentisch in Szene gesetzt wird, wirkt Eden zu jeder Tageszeit wie eine eintönige Kulisse ohne Wiedererkennungswert. Die trostlose Wüste der Wastelands bietet ebenfalls keine Anreize, für die man sich in den Buggy setzt, außer eine Mission erfordert es.

Auch aus visueller Sicht macht die Spielwelt keine sonderlich gute Figur. Man findet sowohl bei Gebäuden als auch bei NPCs häufig die gleichen Assets, dazu sind die Texturen oft matschig. Alles wirkt irgendwie billig, stellenweise schon fast lieblos. Einziger Lichtblick sind die brachial inszenierten Gore-Effekte sowie die Kampfanimationen, die zum Teil aber eben aus Yakuza stammen. Fans der Reihe um Kazuma Kiryu dürfen sich übrigens über wiederkehrende Sprecher freuen, außerdem wurde für den westlichen Markt noch eine englische Sprachfassung angefertigt, die nicht durchgängig gut ist, dadurch aber ganz gut zu dem ohnehin vorhandenen B-Movie Flair passt.

Bounty Hunter Ken

Abseits der Hauptstory gibt es außerdem noch ein Füllhorn an Sidestorys. Diese sind oftmals belanglos, manchmal recht witzig und drücken hin und wieder auch auf die Tränendrüse. Da möchte etwa ein Junge, der seinen Vater verloren hat, mit Ken verstecken spielen, in einer anderen Nebenhandlung trifft man auf die Nachbarschaftswache von Eden, die Konflikte mit Worten und nicht mit Gewalt lösen will. Wer will, kann sich außerdem als Kopfgeldjäger betätigen und Jagd auf besonders knackige Widersacher machen.

Und da hört es noch lange nicht mit den Nebenbeschäftigungen auf. So kann Ken beispielsweise in einer Bar sein Portemonnaie füllen und serviert mit Hokuto Shinken Techniken zubereitete Drinks, in einer Klinik hingegen setzt er seine Martial Arts ein, um Patienten von ihren Beschwerden zu heilen. Beides ist als reaktionsbasiertes Minispiel verpackt und herrlich drüber. In der Wüste spielt man hingegen Baseball, wobei anfahrende Rowdys als Bälle missbraucht und (sprichwörtlich) vom Antlitz der Erde gefegt werden, im Kolosseum testet man die kämpferischen Fertigkeiten in verschiedenen Modi und gegen immer stärker werdende Gegner, mit dem Buggy fährt man Rennen und eine Arcade mit Spielhallen-Klassikern (neben OutRun und Space Harrier auch das originale Fist of the North Star Spiel) gibt es auch. Total verhunzt wurde hingegen das Hostessen-Minispiel, welches in Yakuza 0 zu meinen liebsten Nebenbeschäftigungen überhaupt gehörte. In Lost Paradise ist das Managen der Host-Bar hingegen eine hektische und vollkommen unübersichtliche Angelegenheit, die selbst nach mehreren Versuchen keinen Spaß machen wollte.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
77
77
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Ich habe mit Fist of the North Star: Lost Paradise durchaus meinen Spaß gehabt. Die herrlich abgedrehte und vor Japano-Kitsch nur so triefende Geschichte hat auch mich, als Nichtkenner der Vorlage, bis zum Schluss gut unterhalten. Hinzu macht das bewährte Kampfsystem Spaß, die übertrieben inszenierte Brutalität und der stets vorhandene Trash-Charme funktionieren ebenfalls. Die Minispiele sind abwechslungsreich, verlieren aber nach einer Weile ihren Reiz und auch die vielen Sidequests sind selten sonderlich spannend, da sie selten aus der spielmechanischen Wiederholung ausbrechen. Auch hätte dem Spiel etwas mehr Polish gut getan. Das alles klingt nun harscher, als es eigentlich gemeint ist, denn unterm Strich ist das Experiment, die Yakuza-Formel auf ein anderes Franchise anzuwenden, dennoch geglückt. Davon gerne mehr in der Zukunft.

- Von  Adrian

Playstation 4

Fist of the North Star: Lost Paradise REVIEW

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