Call of Cthulhu REVIEW

Wenige haben das Horror-Genre nachträglich so sehr geprägt, wie H. P. Lovecraft. Entsprechend gibt es natürlich auch eine ganze Reihe Videospiele, in denen man Stilistik und Versatzstücke aus dem reichhaltigen Werk des amerikanischen Autors wiederfindet. Spiele, die direkt auf einer Vorlage von Lovecraft basieren, gibt es erstaunlicherweise aber kaum. Das pünktlich zum diesjährigen Halloween erscheinende Call of Cthulhu ist aber ein solches und nimmt sich nicht nur lose der gleichnamigen Kurzgeschichte (zu dt. Cthulhus Ruf) an, sondern fußt zugleich noch auf einem Pen & Paper Rollenspiel aus dem Jahre 1981. Eine mehr als vielversprechende Vorlage für ein schaurig gutes Horrorspiel – möchte man meinen.

Mehr Lovecraft als Lovecraft

Spieler schlüpfen in die Rolle von Edward Pierce, einem Privatermittler, der sich nach seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg in Boston mehr als recht durchschlägt. Eines Tages kommt ein älterer Mann in sein Büro und bittet ihn, den Tod seiner Tochter auf die Spur zu gehen. Diese sei gemeinsam mit ihrem Mann und dem jungen Sohn auf der entlegenen Insel Darkwater bei einem Feuer umgekommen, allerdings ranken sich um den Vorfall seltsame Gerüchte. Pierce macht sich also auf zu dem ihm zuvor vollkommen unbekannten Eiland und stellt bereits bei seiner Ankunft fest, dass hier etwas nicht so recht stimmen will. Die Bewohner, hauptsächlich Walfänger und Fischer, geben sich mehr als mürrisch, die Polizei ist wenig kooperativ und auf dem Anwesen der Familie Hakwings wird Pierce auch noch von einem Axt schwingenden Hausmeister in Empfang genommen.

Wer einigermaßen mit dem Lovecraft-Universum vertraut ist, weiß natürlich, dass übernatürliche Mächte ihre Tentakeln im Spiel haben und sich Pierce sehr bald nicht nur durchgeknallten Hinterwäldlern gegenübersehen wird. Call of Cthulhu schreit aus jeder Faser Lovecraft und schert sich nicht darum, auch das letzte Klischee aus dem reichhaltigen Fundus des Autoren mitzunehmen. In gewisser Hinsicht tut dem Spiel das aber eigentlich sehr gut, denn so wird das ideale Fundament gelegt, welches man sich von einem Spiel wünscht, das mit dem Namen Lovecraft hausieren geht. Bedauerlicherweise ist die Erzählung aber immer wieder von seltsamen Sprüngen durchsetzt. Verschiedene Entwicklungen gehen teilweise zu schnell voran, kleine und große Wendungen werden als viel zu gegeben hingenommen und ein Großteil der relevanten Figuren ist zu eindimensional porträtiert. Auch mit dem Protagonisten konnte ich mich kaum identifizieren, schlicht, da keine wirkliche Charakterisierung stattfindet. Ein großes Gefälle gibt es außerdem bei den Dialogen, die mitunter eigentlich ganz gut geschrieben sind, stellenweise aber nicht konsequent ausgearbeitet wurden und oftmals Anschlussfehler aufweisen bzw. schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar sind.

Entscheidungsfreiheit mit spürbaren Konsequenzen?

Nehmen wir als Beispiel die bereits von mir erwähnte Sequenz, in der Edward Pierce auf dem Anwesen der Familie Hawkings von deren Hausmeister mit einer Axt angegriffen wird. In der Szene habe ich verschiedene Möglichkeiten, die Situation zu lösen. Ich kann etwa Gewalt einsetzen und versuchen dem Angreifer seine Waffe zu entziehen. Letztlich habe ich mich für eine andere Variante entschieden und versucht wohlwollend auf den Mann einzureden, ihm klar zu machen, das die Hinterbliebenen es sicherlich nicht gut heißen würden, wenn er mich jetzt zerstückeln würde. Tatsächlich hat mein Zureden auch funktioniert, der Angreifer ließ ab – und ging schnurstracks und mit gesenkten Haupt seines Weges, ohne das ich ihn je wieder gesehen habe. Dieser vollkommen unbefriedigende Ausgang der Szene und der Umgang mit der Figur des Hausmeisters ist ziemlich bezeichnend für die narrativen Schwächen, die das Spiel immer wieder aufweist und die mir zusehends ein schmerzhafterer Dorn im Auge wurden.

Ein Wort noch zu der angeblichen Handlungsfreiheit, die sich das Spiel groß auf die Fahne schreibt. Immer wieder poppt in der oberen linken Hälfte des Bildschirms die Einblendung auf, dass meine gerade getroffene Entscheidung den Verlauf beeinflussen wird. Die Vermutung liegt also nahe, dass meine Spielweise auch Einfluss auf die unterschiedlichen Enden nimmt. Ich habe Call of Cthulhu einmal durchgespielt, dank eines kurz vor Ende gesetzten Speicherpunktes konnte ich aber kurz vor den Credits noch einmal ansetzen und ein anderes Ende wählen. Tatsächlich ruft man die unterschiedlichen Enden wohl durch eine finale Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten hervor.

Da stellt sich mir die Frage, inwiefern wirklich meine Entscheidungen in den vorherigen rund zehn Stunden Spielzeit Einfluss auf den Ausgang hatten. Zwar sollen sich unterschiedliche Entscheidungen auch im Spielverlauf bemerkbar machen, da ich aber wie gesagt bisher nur einen Durchgang zu Ende gebracht habe, kann ich dies weder bestätigen noch verneinen.

Ich glaub ich werd bekloppt

Ein weiteres Versprechen der Entwickler betrifft den psychischen Zustand des Protagonisten. Typisch Lovecraft, hinterlassen die Ereignisse auf Darkwater Spuren bei Pierce, der beginnt zu halluzinieren (?!) oder in engen Räumen nach und nach panischer wird. So wie ich die Entwickleraussagen verstanden habe, sollen sich die Ängste von Pierce nach dem richten, was ich in meinem Spieldurchlauf erlebe, so wie sich mir das Ganze darstellt, habe ich aber eher das Gefühl, als seien die entsprechenden Szenen von Designerhand vorgegeben und weitaus weniger individuell, als man es uns weismachen will.

Ich kann es natürlich nicht eindeutig verifizieren, aber auf mich wirkt Call of Cthulhu sehr geradlinig und weniger offen, als von offizieller Seite beworben. Das ist an sich eigentlich nicht weiter schlimm, zumal es immer wieder Momente gegeben hat, in denen mich das Spiel gepackt hat. Dennoch war ich beim Abspann mehr als zwiegespalten, denn an sich hielt die Geschichte keine sonderlichen großen Überraschungen bereit, keine Wendungen, die mich unvorhergesehen getroffen haben. Und auch als Horrorspiel funktionierte Call of Cthulhu bei mir nur bedingt.

Alt(backen) aber nicht Groß(artig)

Dass hat auch mit den technischen Unzulänglichkeiten zu tun. Das hier die Unreal Engine 4 zum Einsatz gekommen ist, will man selbst beim zweiten und dritten Hinsehen nicht so recht glauben. Die gerenderten Zwischensequenzen liegen in einer peinlich grobschlächtigen Komprimierung vor, die Mimik der Figuren und die nicht vorhandene Lippensynchronität verdient nicht einmal das Prädikat „Holzpuppen-artig“ und auch bei dem Aussehen der NPCs hätten ein paar mehr anders aussehende Modelle gut getan. Gerade bei einem Spiel, in welchen ein großer Teil aus Gesprächen mit anderen Figuren besteht und man diesen direkt gegenübersteht, hätte hier mehr Polish sein müssen. Andererseits sind die unterschiedlichen Setpieces abwechslungsreich und stimmig gestaltet und vermitteln immer wieder eine wohlige Gruselstimmung.

Batman meets Walking Sim meets ganz schlechten Shooter

Call of Cthulhu ist ein stark narrativ getriebenes Spiel. Die mittlerweile leider negativ besetzte Bezeichnung Walking Simulator verkneife ich mir hier mal, aber sie kommt dem, was spielerisch geboten wird, doch schon recht nah. Dennoch steckt noch ein bisschen mehr drin. So muss man immer wieder Tatorte untersuchen, Spuren nachgehen und kleinere Rätsel lösen – schließlich ist Pierce ja ein Detektiv! Diese Abschnitte sind nie sonderlich fordernd, haben mich aber dennoch gut unterhalten können. Gleichzeitig besitzt Call of Cthulhu aber auch Unmengen an seltsamen Designentscheidungen. Da wäre etwa die an die Batman Arkham Spiele erinnernde Möglichkeit die Geschehnisse an einem Tatort vor dem geistigen Auge nachzustellen. Irgendwie will das weder inhaltlich noch logisch noch konzeptionell so richtig in das Spiel passen. Seltsam ist auch der rudimentäre RPG-Einschlag, der offensichtlich ein Überbleibsel der Pen & Paper Vorlage ist. So gibt es verschiedene Attribute (Medizinkentnisse, Wissen über Okkultismus, Stärke, Redegewandheit etc.) die man durch Erfahrungspunkte bzw. spezielle Bücher aufwerten kann. Mehr Auswirkungen, als das hier und da weitere Optionen in den Dialogen freigeschaltet werden, hat das Ganze für das Spiel aber nicht.

Richtig schlimm sind jene Momente, in denen man unbewaffnet ist und unentdeckt durch die Gegend schleichen muss. Das ganze spielt sich so dröge und zäh, das es nur noch von dem katastrophal unhandlichen Shooter-Part gegen Ende in seine Schranken gewiesen wird. Bei so viel undurchdachten Feature Creep hätte irgendjemand bei den Entwicklern mal den Rotstift auspacken und das Team dazu anhalten sollen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
67
67
-
Multiplayer

FAZIT

Ich hatte mich im Vorfeld durchaus auf Call of Cthulhu gefreut, hatte aber auch meine Bedenken, ob die Versprechen um spürbare Konsequenzen der von mir getätigten Entscheidungen und der Auswirkungen des Geisteszustands meines Protagonisten auf den Verlauf der Handlung tatsächlich eingehalten werden können. Das Endergebnis ist weitaus linearer, als ich im Vorfeld erwartet habe, was aber nicht sonderlich schlimm ist. Spielmechanisch hingegen vermisst das düstere Abenteuer eine eigene Identität. Während die detektivischen Abschnitte durchaus Laune gemacht haben und ich die hier und da eingestreuten Rätsel nett fand, funktionieren die Momente, in denen ich mich unentdeckt bewegen und verstecken muss ebenso wenig, wie der unzulängliche Shooter-Part gegen Ende. Was letztlich bleibt, ist ein erzählerisch durchaus unterhaltendes und technisch mittelmäßiges Spiel mit viel ungenutztem Potenzial.

- Von  Adrian

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