Blue Reflection REVIEW

Seit den späten 1990er Jahren hat sich Entwickler Gust einen durchaus guten Ruf bei Fans von Japano-Rollenspielen erarbeitet. Vor allem die Atelier-Reihe (von denen es mittlerweile mehr als zwei Dutzend Spiele gibt) hat zu diesem Status beigetragen. Seit einigen Jahren produziert das Studio im Auftrag von Publisher Koei Tecmo hin und wieder aber auch neue IPs, wie etwa Nights of Azure, welches in Bälde eine Fortsetzung erhält. Und auch bei dem jüngst für PlayStation 4 und PC erschienenen Blue Reflection handelt es sich um eine komplett neue Marke. Eine, mit Zukunftschancen?

 

Magical Girls meets Persona

Es sind vor allem alltägliche Probleme, die Hinako und ihre Freundinnen plagen. Der starke Fokus auf heranwachsende Mädchen und ihren Ängsten und Sorgen ist so ein ziemliches Novum in Videospielen und definitiv etwas neues.

Protagonistin ist Hinako Shirai, eine junge Ballettänzerin, die seit einer Knieverletzung nicht mehr tanzen kann und unter immer wiederkehrenden Schmerzen leidet. Dies hat die junge Oberschülerin in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Wer bin ich eigentlich? Was soll ich aus meinem Leben machen, nachdem mein Traum geplatzt ist? Was macht noch Sinn? Dies sind die Fragen, die Hinako tagtäglich herumtreiben. Ihr Leben ändert sich erneut schlagartig als sie die beiden Schwestern Yuzuki und Raimu Shijou trifft. Diese machen sie mit einer magischen Kraft vertraut und sehen in Hinako eine von ihnen – eine sogenannte Reflector.

Reflector sind im Kontext des Spieles Kämpferinnen für das Gute und im Prinzip so was wie Sailor Moon. Blue Reflection ist nämlich im Magical Girl Genre angesiedelt und weist entsprechend die typischen Tropen auf. Das es ein so nieschiges Spiel ohne großen Markennamen tatsächlich mal in den Westen schaffen würde, hätten viele wohl nicht gedacht und tatsächlich unterscheidet sich das Spiel hinsichtlich seiner Handlung sehr stark von anderen Rollenspielen. Am ehesten kann man hier noch den Vergleich zu Persona ziehen, welches sich ebenfalls mit dem Problemen von jungen Heranwachsenden auseinandersetzt und dabei auch durchaus kontroverse Themen benennt.

Gleich vorweg: ein so gutes Narrativ wie die Reihe aus dem Hause Atlus bringt Blue Reflection nicht mit. Das Writing ist okay, hält sich aber oftmals mit Nebensächlichem auf, die Inszenierung der teils arg langen Zwischensequenzen ist darüber hinaus hölzern und zuweilen fast schon einschläfernd. Dennoch schafft es Gust stellenweise interessante Stränge zu etablieren, vor allem der Fokus auf explizit weibliche Ängste und Sorgen während der Adoleszenz überrascht und bringt definitiv frischen Wind in die ansonsten eher konventionelle Rahmenhandlung.

 

Billige Masche?

Ohne ein bisschen Fanservice geht es anscheinend nicht. Dieser ist größtenteils aber einigermaßen vernünftig in das Spiel eingebaut, auch wenn es spielerisch keinen Mehrwert gibt.

Auf Bildern und Trailern mag Blue Reflection auf den ersten Blick hingegen wie ein Spiel mit starken Fanservice-Appeal wirken und tatsächlich lassen sich entsprechende Tendenzen nicht von der Hand weisen. Die Brüste der jugendlichen Figuren sind unnatürlich groß und wackeln beim Laufen ebenso, im Regen wird die weiße Schulbluse nass und transparent, sodass man die BHs bestaunen kann. Nach der Schule kann man Hinako außerdem ein heißes Bad gönnen oder sie beim stretchen beobachten – spielerischen Mehrwert haben all diese Szenen nicht.

Man mag argumentieren, das es für eine Jugendliche nun einmal normal ist sich in die Badewanne zu setzen und Dehnübungen zu machen, und weiße Oberteile neigen bei Wasserkontakt zur Transparenz. Letztlich ist der Fanservice hier sehr harmlos und überschreitet – zumindest in meiner Wahrnehmung – keine geschmacklichen Grenzen, stattdessen wird die Kawaii-Fahne hoch gehalten und alles arg verniedlicht. Lediglich der 80 Euro teure Season-Pass, der sämtliche Haupt- und Nebenfiguren unter anderem in knappe Badeoberteile steckt, wirkt seltsam. Sehr seltsam.

 

Och ne, nicht schon wieder Schule

Die rundenbasierten Kämpfe fallen ziemlich konventionell aus. Wirklich vom Hocker wird das Genre-Vielspieler wohl nicht hauen.

Nicht nur hinsichtlich seiner Motive weist Blue Reflection einige Parallelen zu Persona auf. Beiden Titeln ist die Schule als zentraler Handlungsort gemein, an dem ein nicht zu unterschätzender Teil der Spielzeit abläuft. Gust setzt ebenfalls auf einen täglichen Zyklus: aufstehen, in die Schule, anschließend Zeit zur freien Gestaltung. In dieser kann man unter anderem die Beziehung zu den anderen Figuren intensivieren, mehr über sie erfahren und sie zu Verabredungen einladen.

Die freie Zeit ist aber auch zum Erledigen von Missionen notwendig. Von diesen gibt es Unmengen und leider wirken sie größtenteils vollkommen belanglos und sind aus spielerischer Sicht erschreckend einfallslos. Sprich mit Charakter x, gehe in Dungeon y und besiege Monster z: das Questdesign entstammt wahrlich der Hölle der Lustlosigkeit, einfallsreiche oder wenigstens halbwegs interessante Aufgaben sucht man nahezu vergeblich. Zu allen Überfluss müsst ihr stets eine bestimmte Anzahl an Nebenaufgaben abarbeiten (anders kann man es wirklich nicht nennen) um in der Haupthandlung voranzukommen.

Auch bei den Kämpfen wirken Spiel und Entwickler in einer längst vergangenen Zeit festgefahren. Das rundenbasierte System besitzt keinerlei Dynamik oder taktischen Tiefgang, die Gegner – selbst ab und an auftauchende Bosse – waren für mich zu keiner Zeit eine wirkliche Gefahr. Zwar sind verschiedene Gegnertypen für verschiedene Arten von Attacken und den damit verbundenen Elementen anfällig, letztlich kommt man aber selbst ohne entsprechende Herangehensweise sehr einfach durch die Auseinandersetzungen und wird selten in Bredouille kommen.

Beim Levelsystem nervt Blue Reflection außerdem mit unnötig viel Freiheit. Die Charaktere steigen in ihren Stufen nämlich nicht automatisch auf, stattdessen muss man via Menü gesammelte Erfahrungspunkte investieren und kann gezielt auf Attribute wie Angriffskraft und Verteidigung leveln. Auch hier verkommt das Spiel zu sehr zur Fleißarbeit. Gerade da die Kämpfe in der Regel ohnehin anspruchslos sind, ist es schon fast egal, wie man Erfahrungspunkte verteilt. Vollkommen egal ist außerdem das noch obendrauf gepackte Craftingsystem, ein Überbleibsel aus den Atelier-Spielen. In meiner gesamten Spielzeit musste ich nicht einmal zu Items, die etwa die Gesundheit regenerieren, greifen (die Gesundheit wird nach jedem erfolgreichen Kampf automatisch aufgefüllt). Entsprechend sinnentleert ist es also zusätzlich Zeit mit Herstellung von Gegenständen zu verplempern.

 

Stilsicher

Das Art Design ist stimmig, vor allem die Gestaltung der Menüs und die fabelhafte Musik stechen positiv hervor.

Die reine Spielgrafik ist vollkommen okay, man merkt allerdings das noch eine (Japan exklusive) PS-Vita Fassung existiert und dementsprechend Zugeständnisse gemacht werden mussten. Leider ist die Framerate auf der normalen PlayStation 4 nicht ganz rund, gerade in den Zwischensequenzen und teilweise in den Dungeons kommt es immer wieder zu auffälligen Slow Downs.

Richtig begeistert hat mich derweil das Design von Menüs und User Interface. Das ist stellenweise so ansprechend gestaltet, das ich absichtlich in die Menüs gewechselt bin, obwohl ich dort überhaupt nichts machen musste. Ebenfalls phänomenal ist die Musik, gerade die ruhigen, oftmals melancholisch geprägten Stücke sind eine Wucht. Cool: man kann den stetig anwachsenden Soundtrack nach Belieben selbst wählen, indem man mit Hinakos Handy durch die Playlist klickt und den Wunschsong wählt. Mit dem Handy kann man aber nicht nur Songs wählen und ein kleines, an Tamagotchi erinnerndes Minispiel spielen, sondern auch mit Hinakos Freundinnen kommunizieren. Die sich hier abspielenden Dialoge sind zwar festgelegt, aber recht amüsant geschrieben. Ach: und habe ich euch schon gesagt, wie wunderschön die Menüs sind?

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Spiel Bewertung
Singleplayer
69
69
-
Multiplayer

FAZIT

Ich möchte Blue Reflection mögen, denn das Artdesign ist sehr stimmig, die Gestaltung der Menüs stilsicher, die Musik grandios, die in den Storysträngen behandelten Themen für ein Videospiel ungewöhnlich. Es sagt einiges über das Spiel aus, das es mir am meisten Spaß gemacht hat, wenn ich nur durch die Schule gelaufen bin, mich an der Musik erfreut habe und mit den anderen Figuren gesprochen habe. Der gesamte Rollenspiel-Aspekt hingegen ist nämlich ziemlich konventionell und hat mich durchweg angeödet. Das mag zunächst ein persönliches Problem sein, da ich nun einmal viele Rollenspiele kenne und spiele, und dementsprechend schon reichlich „vorbelastet“ bin. Blue Reflection ist daher – wie eigentlich alle RPGs von Gust – vor allem ein Spiel, das sich an Genre-Neulinge und Gelegenheitsspieler richtet.

- Von  Adrian

Playstation 4

Blue Reflection REVIEW

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