Baldur’s Gate: Siege of Dragonspear Add-on REVIEW

Baldur’s Gate: Siege of Dragonspear ist wohl ein Spiel, welches niemand vorausgesehen hatte. Über 17(!) Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung von Baldur’s Gate, hat Beamdog ein zweites Add-on für das Spiel veröffentlicht. Dabei macht ein zweites Add-on durchaus Sinn, denn wenn es etwas gibt, was mich schon immer immens an der Baldur’s Gate-Saga gestört hat, dann ist es der schlechte Story-Übergang zwischen Teil 1 und 2. Eben noch hatte man den finsteren Sarevok bezwungen und die Schwertküste somit vor einem blutigen Krieg bewahrt, und im nächsten Moment findet man sich im Folterkerker des durchgeknallten Magiers Jon Irenicus wieder. Zwar wurde im Introvideo von „Baldur’s Gate II: Schatten von Amn“ erklärt, dass man während einer Rasteinlage im Freien von einer Gruppe Schurken gekidnapped wurde, aber dennoch hatte man immer das Gefühl, dass da ein dicker Brocken Handlung fehlt. Und eben dieser Brocken wurde am 31.03.2016 von Beamdog nachgereicht. Dieses Add-on ist übrigens nur mit der Enhanced Edition von Baldur’s Gate lauffähig, die Kompatibilität mit der Originalversion ist nicht gegeben.

Flüchtlingskrise an der Schwertküste

Das Add-on startet kurze Zeit nach dem Sieg über Sarevok. Zwar haben wir unseren finsteren Halbbruder im Hauptspiel getötet, jedoch hat er immer noch einige treue Anhänger, welche die Niederlage ihres Meisters nicht einsehen wollen. Diese haben sich unter einer gewissen Korlasz zusammengerauft und in der Familiengruft von Korlasz verschanzt. Die Führerschaft von Baldur’s Tor hat uns damit beauftragt diesen Dungeon von jedweden Gesocks zu säubern. Gesagt getan, was folgt ist die Beförderung zum offiziellen Held von Baldur’s Tor, der zusammen mit Stiefschwesterchen Imoen sogar im örtlichen Regierungs- und Palastgebäude hausieren darf.

Die nächsten Wochen verlaufen gemütlich, wir faulenzen und Imoen lässt sich zur Magierin ausbilden. Doch dann strömen immer mehr Flüchtlinge nach Baldur’s Tor. Diese flüchten vor dem Kreuzzug von Caelar Argent, einer mächtigen und charismatischen Kriegerin mit göttlichem Blut in ihren Adern. Diese hat sich in der berüchtigten Burg Dragonspear verschanzt. In besagter Burg befindet sich ein versiegeltes Portal in die Neun Höllen, welches in der Vergangenheit schon zwei furchtbare Ereignisse provoziert hat. Und ja, das Portal hängt irgendwie mit Caelars Plänen zusammen. Um diese Pläne zu erreichen, (zwangs)rekrutiert sie die Bevölkerung der nördlichen Schwertküste und überfällt ein Dorf nach dem Anderen – daher die Flüchtlinge. Da durch diese Problematik ein wirtschaftlicher Zusammenbruch in der Region droht, schließen Baldur’s Tor, Tiefwasser und Daggerford ein Bündnis, um Dragonspear zu belagern und Caelar das Handwerk zu legen.

Wir selbst werden ebenfalls in diese Sache hineingezogen, als Caelar Attentäter entsendet, um uns zu erdolchen. Stattdessen wird jedoch Imoen erwischt, die folglich erst mal das hierdurch eingefangene Gift auskurieren muss. Aufgrund dieses Angriffs wird gemutmaßt, dass es sich bei Caelar um ein weiteres Bhaalkind handelt, welches, wie zuvor Sarevok, um die Macht des Mordgottes buhlt. Somit bleibt unserer Spielfigur keine andere Wahl, als sich der Belagerung von Dragonspear anzuschließen, um dem neuen Feind in den Hintern zu treten. Doch der Weg nach Dragonspear ist länger und beschwerlicher als gedacht, außerdem taucht noch ein mysteriöser Kuttenmann auf, der kryptische Aussagen von sich gibt, und gerne hätte, dass wir die Macht unseres göttlichen Vaters Bhaal erschließen.

Spieler von Baldur’s Gate II können sich freilich denken, um wen es sich bei den Kuttenmann handelt, und sie wissen auch wo die Reise letztendlich hinführt. Allerdings geht es in diesem Add-on ja ohnehin eher um das „Wie“ statt um das „Wohin.“ Und ich muss sagen, dass Siege of Dragonspear das „Wie“ sehr gut beantwortet. Die Handlung rund um Caelar steht übrigens durchaus für sich alleine und kann auch Spieler des zweiten Teils unterhalten. Besonders interessant ist, dass das Spiel sogar einen Storybogen zum ersten Icewind Dale spannt und selbst kleinere Details abwickelt. So wird bereits im Startdungeon erklärt, wie Sarevoks Schwert in die Hände von Irenicus gelangt ist. Besagtes Schwert kann man ja in BG2 erbeuten, wenn man eine kleine Nebenquest absolviert. An derartigen Dingen merkt man deutlich, dass hier aufrechte Fans am Werk waren.

Unerwartet gute audiovisuelle Präsentation, dummerweise fehlt die deutsche Lokalisation

Bezüglich Gameplay habe ich nicht viel zu erzählen, da sich hier nicht wirklich viel getan hat. Wer das Hauptspiel gespielt hat, weiß was ihn hier erwartet. Es gibt jedoch viele neue Gegenstände und Monster, wobei die Monstersprites kreuz und quer aus den anderen Infinity Engine-Spielen importiert wurden und dementsprechend nicht wirklich „neu“ sind. Bei den Maps hat man sich da schon mehr Mühe gegeben. Abgesehen von den überraschend klein gehaltenen Maps in Baldur’s Tor, findet man hier nur neue Renderbilder vor. Diese wurden auch sehr schön gezeichnet und fügen sich hervorragend in das Baldur’s Gate-Gesamtpaket ein. Während die Wald- und Wiesenlandschaften dem bodenständigen Hauptspiel treu bleiben, wirken die Dungeons wesentlich interessanter und exotischer. Hierdurch wird die Rolle des Bindeglieds zwischen BG1 und BG2 auch recht gut ausgefüllt. Nach den schlampigen neuen Maps aus der Enhanced Edition, war ich doch sehr skeptisch, ob Beamdog die hohe Kunst der Map-Erstellung in den Griff bekommt, glücklicherweise haben sie es für ihr neues Add-on geschafft. Allerdings muss hier auch gesagt werden, dass die Grafik selbst für ihre Nische veraltet ist. Spiele wie Pillars of Eternity oder Torment: Tides of Numenera haben da einfach die schickeren Iso-Maps zu bieten. Und diese beiden Titel erschienen vor Siege of Dragonspear. Das neue Baldur’s Gate-Add-on ist also dermaßen Originalgetreu, dass es grafisch schlicht und einfach veraltet ist.

Der von Sam Hulick komponierte Soundtrack ist auch wieder sehr schön gelungen. Allerdings lässt er eine gänzlich andere Atmosphäre durchscheinen als der von Michael Hoenig. Er klingt wesentlich epischer und etwas düsterer, kommt aber nicht an diesen speziellen Charme der vorherigen Tracks heran. Aber das ist Meckerei auf hohem Niveau.

Leider hat es Beamdog bislang versäumt eine deutsche Lokalisation anzubieten. Sowohl Sprachausgabe als auch Texte sind weitestgehend auf Englisch. Warum weitestgehend? Nun, der Programmcode scheint verwirrt damit zu sein, dass ein deutschsprachiges Hauptspiel und ein englischsprachiges Add-on installiert ist. So bekommt man hier eine unangenehme Mischung vorgesetzt. Alte Gegenstände werden auf Deutsch beschrieben, die Neuen hingegen auf Englisch. Einige alte Charaktere sprechen Deutsch, die meisten jedoch Englisch. Sogar in die Storytexte rutschen vereinzelt deutsche Wörter und Bezeichnungen – warum auch immer. Hier muss Beamdog dringend nachbessern, denn so wie es aktuell geregelt ist, ist es ehrlich gesagt untragbar! Und igendwann will man die Indie-Ausrede auch nicht mehr hören. Vor allem dann nicht, wenn Baldur’s Gate draufsteht!

Was hat das Add-on zu bieten? Abgesehen von der Kontroverse, mein ich.

Der Umfang ist enorm für ein Add-on, vor allem wenn man diesen mit dem damaligen Add-on „Legenden der Schwertküste“ vergleicht. Ich habe nicht auf die Uhr geguckt oder so, aber Siege of Dragonspear fühlt sich mindestens dreimal so umfangreich an als „Legenden der Schwertküste.“ Allerdings muss in diesem Zusammenhang auch gesagt werden, dass Siege of Dragonspear eine sehr lineare Angelegenheit ist. Jedes Kapitel im Spiel ist in sich abgeschlossen, was bedeutet, dass es nicht gestattet ist, in die Ortschaften aus einem vorherigen Kapitel zurückzukehren, um z.B. offene Nebenquests abzuschließen. Im Vergleich zum Open World-Konzept des Hauptspiels, ist das schon ein großer Stilbruch, auch wenn diese Maßnahme der Narrative geschuldet ist.

Das Add-on stellt insgesamt 15 Companion-Charaktere zur Verfügung. Zur alten Garde gehören Minsc, Dynaheir, Jaheira, Khalid, Safana, Viconia und Edwin. Dann gibt es noch die vier Neulinge aus der Enhanced Edition, Neera, Rasaad, Dorn und Bealoth. Abgesehen davon gibt es aber auch noch vier brandneue Charaktere speziell für das neue Add-on. Diese wären die Flammenfaust-Soldatin Schael Corwin, der Gnom Glint Gardnersonson, seines Zeichens Kleriker und Dieb, die Goblin-Schamanin M’Khiin und der Skalde Voghiln. Und ja, dieses Add-on führt mit den Schamanen eine brandneue Charakterklasse ein.

Seltsam ist die Tatsache, dass man im Korlasz-Startdungeon noch mit seiner alten Truppe aus dem Hauptspiel losziehen darf, aber danach steht man wieder alleine da, und muss sich die oben aufgezählten Leute wieder im Verlauf des Spiels zusammensuchen. Ärgerlich in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Ausrüstung der alten Kameraden verloren geht, wenn man diese nicht abrüstet, bevor man den Startdungeon verlässt. Aber dafür bieten die Companions, welche später zur Verfügung stehen wieder kleinere Nebenquests und Romanzen. Die sind zwar nicht so ausgefeilt wie in Baldur’s Gate 2, stellen aber dennoch einen netten Mehrwert dar.

Der Exp-Cap wurde in diesem Add-on auf 500.000 Exp angehoben. Die angehäuften Exp darf man auch in Baldurs Gate II: Enhanced Edition mitnehmen, was freilich einen tollen Anreiz bietet Siege of Dragonspear gründlich durchzuspielen. Leider gibt es hier keine Perma-Statboost-Bücher zu finden. Diese hätten das Add-on nochmals reizvoller gemacht. Aber man kann halt nicht alles haben.

Oh, bevor ichs vergesse: Das Geheule wegen der SJW-Geschichte ist größtenteils eine Menge Lärm um nichts. Es befindet sich zwar in der Tat ein wenig unbeholfen implementiertes SJW-Material im Spiel, aber eben nichts drastisches: Eine Priesterin war mal ein Mann, Corwin ist bisexuell und Minsc lässt ne Anspielung über den Internet-Shitstorm vom Stapel. Das wars, mehr habe ich nicht erlebt und es war auch nichts, was mich gestört hat. Corwin entpuppt sich in vielerlei Hinsicht als schlechter Mensch, was, wenn überhaupt, eher dafür sorgt, dass Bisexuelle in ein schlechtes Licht gerückt werden (was natürlich Schwachsinn ist, da es überall gute und schlechte Menschen gibt). Die Priesterin ist einfach nur eine Person unter vielen und sticht nicht eher heraus als ein Roter Magier, ein bekloppter Kerl der mit seinem Hamster redet, ein Dunkelelf usw. Und die Anspielung von Minsk wurde so clever verpackt, dass man sie wahrscheinlich gar nicht mitbekommt, wenn man das Trara nicht einigermaßen mitbekommen hat. Wenn ihr also Siege of Dragonspear spielen möchtet, ihr jedoch durch das SJW-Gedöhns abgeschreckt wurdet, dann kann ich euch beruhigen. Wie gesagt, es ist eine Menge Lärm um nichts – und zwar von beiden beteiligten Seiten.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
85
85
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Alles in allem ist Baldur's Gate: Siege of Dragonspear ein willkommener Lückenfüller – und das meine ich wortwörtlich, denn es wurde verdammt nochmal Zeit, dass diese eklige Lücke zwischen Baldur's Gate und Baldur's Gate II: Schatten von Amn, endlich geschlossen wird! Dieses absurd verspätete Add-on hat sich dieses spezifische Ziel vor Augen gesetzt und erfüllt. Sicherlich gibt es ein paar Stolpersteine, wie die Abkehr vom Open World-Konzept, eine arg originalgetreue Grafik, die zum Veröffentlichungszeitpunkt schlichtweg veraltet war, die Versäumnis das Spiel zu lokalisieren und auch der mutwillig provozierte Stress zwischen SJW- und Gamergate-Anhängern. Nichts davon verhindert jedoch den gewohnt routinierten Dungeons & Dragons-CRPG-Spielspaß auf Basis der Infinity-Grafikengine. Baldur's Gate ist wieder am Leben, und ich hoffe Beamdog ist in der Lage irgendwann den dritten Teil dieser ikonischen Serie zu schaffen.

- Von  Volker

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Baldur's Gate: Siege of Dragonspear Add-on REVIEW

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